Montag, 12. Februar 2024

Elisabeth Fuhrmann-Paulsen: Vermächtnis

 



Vermächtnis

Ich will Bäume pflanzen,
die sich breiten, die sich weit verzweigen,
dass auf ihren Ästen Vögel rasten.
Fäller sollen meine frohen Wälder meiden;

Und ich will auch freie Bäume pflanzen,
die allein stehn, sonnelichtumwoben.
Unter ihnen soll die Jugend tanzen,
Angesicht zu Angesicht gehoben.

Und ein Jüngling soll der Fiedler sein,
mit vor Sehnsucht blauen Augen,
und so edel sollen seine Hände sein,
dass sie nur zum Geigespielen taugen.

Schlank und fein und wenigen verwandt,
wenig blassen Musikantenhänden,
die mit jedem Bogenzug der Hand
ihre Meisterschaft vollenden.

Und es soll der liebste Geiger mein
in den Gärten vor dem Tore wohnen,
mitten unter breiten Lindenkronen,
bei der Blätter Melodein.

Wo von Früchten schwer sich
Zweige tief wie Trauereschen neigen,
und er soll an jedem Abend
aus dem offnen Fenster geigen.

Elisabeth Fuhrmann-Paulsen (1879 - 1951)

Das Bild „Mondscheingeiger“ ist von Hans Thoma (1839 - 1924)

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