Samstag, 24. Februar 2024

Emil Alphons Rheinhardt, aus: Stunden und Schicksale

 



Zum Eingang

Sei mir freundlich, liebe Zeit!
Bleibe bunt, wie du gewesen.
Mach mich keines Wehs genesen,
Eh du es zum Bild geweiht.
Abendgold und seliges Blau
Lass mich nicht allein behalten.
Sollst ein gutes Wort gestalten
Einer lieben süßen Frau.
Was da ringt und was da zwingt,
Schauer und beglücktes Lachen -
Alles sollst du bleibend machen,
Bis mein Blut es trunken singt.
Der Minuten Angesicht,
Die verzerrten und verklärten,
Die verstoßenen und begehrten,
Mache dauernd im Gedicht.
Schreibe alles auf in mir.
Lass mich Grund sein deiner Flüsse.
Wolken, Klänge, Düfte, Küsse
Im Gebild´ bewahr´ ich dir.


Frühlingsmittag im Park


. . . Und die Menschen gehen wie im Kreise,
So, als endete dies Gehen nie.
Sind nur Landschaft noch; die liebe, leise
Sonne bringt ein Bleibendes in sie.
Nie mehr schweigt die Amselmelodie.
Alles ist für immer schon gegeben.
Herzen, die sich jetzt zur Sonne heben,
Wachsen ganz und sinken nie.
Goldlack und Levkojen um die Teiche,
Wo das ewig junge Wasser grünt,
Grüßen lächelnd aus dem Liebesreiche
Mit Erinnerungen, lang gesühnt.
Alles Kommende ist längst vergangen.
Still geht das Gewesene im Blut.
Ewiger Frühlinge lichte Zweige langen
In die Himmel - und der Weltraum ruht.


Endlich langt die dunkle Erde. . .

Endlich langt die dunkle Erde,
Schwarze Wipfel, schwarze Gipfel,
Eine stille Traumgebärde
In das milde tiefe Blau.
Schläfernd spricht der Bach am Hange.
Windhauch seufzend ist erwacht.
Liebe Schönheit, noch wie lange?
Aber eh ich ganz erbange,
Segnet goldnes Licht die Nacht.


Wanderlied

Mir liegt ein Schatten im Mute,
Indes mein Fuß schon weiterzieht.
Und doch hab´ ich im Blute
Ein kleines, leises Wanderlied.
O Frauen ihr, o Wege,
O Stimme, die so lang schon rief!
Du Stimme, die doch träge
So manchen Wandertag verschlief!
Von allen Straßen greifen
Die Fernen in die Seele mir.
O Wald, o Wolkenstreifen!
In meinem Herzen reifen
Die weiten Straßen für und für.

Aus: Emil Alphons Rheinhardt: Stunden und Schicksale, Hugo Heller Leipzig und Wien 1913

Emil Alphons Rheinhardt, geboren 4. April 1889 in Wien, gestorben 25. Februar 1945 im KZ Dachau an Fleckfieber, war Lyriker des Wiener Expressionismus, Lektor und Schriftsteller.

Das Foto zeigt den Dichter um 1930

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