Dienstag, 5. Dezember 2017

Hubert Gsur: Abschied



Am 5. Dezember 1944 wurde der 1912 geborene Lyriker Hubert Gsur im Wiener Landesgericht I als Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus hingerichtet. Das Gedicht „Abschied“ entstand nach der Urteilsverkündung, es ist sein letztes Werk Außer in der Anthologie „Dein Herz ist Deine Heimat“, 1955 von Rudolf Felmayer herausgegeben, gibt es von ihm keine Veröffentlichungen.

Abschied

Nun bin ich nur noch eine kleine Weile
Auf eurem Weg. Schon schweigt der erste Stern.
Und wie ich noch mit eurem Schatten eile,
Bin ich euch schon um tausend Träume fern.

Schon weiß ich nicht mehr zwischen euren Blicken
Mich sanft zu schaukeln in des Himmels Blau,
Schon steh ich unter schwereren Geschicken
Im Totenhof der dunklen Abendfrau.

Schon streifen eure Worte meine Wangen
Wie eines längst entführten Windes Traum,
Schon bin ich endgültig von euch gegangen,
Ich Überschatteter vom Schicksalsbaum.

Schon schlucken mich die Schluchten ernster Straßen
In einer fremden grauen Abendstadt;
Dort ist, den eure Worte gern vergaßen,
So stark, daß er mich bald bezwungen hat.

Und wie ich Sonnenlicht mit euch noch teile,
Winkt mir der Bote schon des dunklen Herrn.
Es schneit. . . und über eine kleine Weile
Bin ich verweht. . . stumm scheidet Stern von Stern.


Das Bild ist von der 2017 verstorbenen Fredelsloher Künstlerin Andrea Rausch, mit freundlicher Genehmigung der Hedi Kupfer Stiftung Fredelsloh als Nachlassverwalterin- 

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