Schwermut
Es
steht eine Sägemühle im Wald.
Ich
bin als Kind vorübergefahren.
War
das vor hundert Jahren?
Jetzt
bin ich nicht jung und nicht alt.
Doch
ich weiß in der Straßen Lärmgefahren:
Ein
Wasser schellt und schallt
Und
wirft mit raschen, mit blauen Haaren
Übers
Rad seine heilige Gewalt.
Heut
ist der Holunderbaum schon abgeblüht
Und
knarrte erst gestern in Frost und Schnee!
Wer
rechnet das aus? Ich habe Heimweh,
Während
ich doch in der Heimat steh.
Ich
sprang ja kaum aus dem Bett und bin schon müd.
Knaben
rennen und wälzen sich wild durchs Gras.
Sie
halten unter die alte Pumpe ihr brennendes Gesicht.
Das
sind nicht meine Kameraden, ich kenne sie nicht,
Und
doch ist mein Mund vom Trunk noch tropfnaß.
Ich
bin ein Same, hierher verweht
Aus
einer fremden Welt.
Dies
ist nicht mein Planet.
Doch
hab ich einen Halm in die Sonne gestellt,
Und
manchmal faßt ihn solcher Wonne Gewalt,
Als
neigten sich durch einen Spalt
Seine
wahren Brüder und Eltern vom Zelt.
Tau
fällt.
Aber
in einem alten Wald
Heiliges
Wasser schallt, schellt.
Nun
steh ich vor dem Gehöft der Nacht.
Der
Wächter fragt: Was hast du tagsüber gemacht?
Ich
habe mit meinen Küssen versengt,
Die
mir am meisten Liebe geschenkt.
Der
Wächter fragt: Was bringst du in der Hand?
Einer
Lerche Asche, die sich am Herdfeuer verbrannt.
Der
Wächter fragt: was weißt du zu berichten,
Undeutliche
Gestalt?
Dies
blieb mir von allen Geschichten und Gesichten:
Eine
Sägemühle steht im Wald.
Franz Werfel, geboren am September 1890 in Prag, Schriftsteller, Dramatiker
und Lyriker, ging 1938 nach dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich
ins Exil, zuerst nach Frankreich, dann in die USA. 1941 erhielt er die
amerikanische Staastsbürgerschaft. Er starb am 26. August 1945 in Beverly
Hills, Kalifornien.
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