Heinrich Steinitz um 1910 |
Immer
Immer muss ich an die armen Raubvögel in den Käfigen denken,
wie sie stumm dasitzen und die entsehnten Flügel senken
oder kläglich mit ihnen schlagen,
die sie einst durch die Freiheit der Lüfte getragen
und jetzt versagend nur noch dazu langen,
dass sie flattern können zu den niederen Stangen.
Nie konnt ́ ich ohne heißes Erbarmen und Grauen
diese furchtbare Hilflosigkeit schauen,
immer war mir, als ob diese vergrämten
traurigen Blicke uns selbst beschämten,
die vor soviel Schmach und Entsetzen
müßig sich stellten zu Gaffen und Schwätzen!
Immer sind sie mir als Bild der tiefsten Erniedrigung
erschienen,
immer schon sie!
- und jetzt gleiche ich selber
ihnen.
Aus:
„Lyrisches Tagebuch“, Heft 1
Heinrich Steinitz,
geboren am 30. August 1879 in Bielitz, Österreichisch-Schlesien; ermordet im Oktober
1942 im KZ Auschwitz, Rechtsanwalt und Schriftsteller.
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