Mittwoch, 28. August 2019

Wilhelm Holzamer: Glück / Letzte Fahrt

Wilhelm Holzamer 1904


„Wir brauchen das Neue und Weite, das Ziel des Ziellosen, die Unendlichkeit unbegrenzter Verwirklichungen immer neuer Erkenntnis- und Gefühlsaufklänge brauchen wir, in denen viele Dinge ein Recht haben, nebeneinander zu bestehen! Die neue Welt muß eine offene werden - die alte ist eine verschlossene.“ aus: Der Entgleiste, 1906

Glück

Ein grünumranktes Fenster,
die Scheiben blind und blau,
den Blick auf stille Wälder
und grüne Tannenau.

Im Stübchen hingebreitet
hellichter Sonnenschein,
ein Tisch und drum zwei Stühle,
und du und ich allein.

Vom Garten hinterm Hause
der Kinder Lärm und Spiel;
ein Jubeln, wenn vom Baume
ein halbreif Äpflein fiel.

Das ist die Welt, die weite,
die ich mir treu behielt,
drin sich ein Herz dem andern
stets wieder neu befiehlt.


Letzte Fahrt

So hab' im Traum ich unser Boot gesehn
Rauschend durch die Wogen streichen,
Am Maste breit ein rotes Wimpel wehn,
Flatternd über zwei umschlungnen Leichen --
Und am Steuer sah ich Ihn, den bleichen
Lenker, wie er lächelnd auf uns schaute,
Da der Morgen freundlich uns mit seinem Kuß betaute.


Wilhelm Holzamer wurde am am 28. März 1870 in Nieder-Olm geboren; gestorben ist er am 28. August 1907 in Berlin an Herzversagen in Folge einer Diphtherie.

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