Marianne Werfekin (1860 - 1938): Industrialisiertes Dorf (1912) |
Fabrikstraße Tags
Nichts als Mauern. Ohne Gras und Glas
zieht die Straße den gescheckten Gurt
der Fassaden. Keine Bahnspur surrt.
Immer glänzt das Pflaster wassernaß.
Streift ein Mensch dich, trifft sein Blick dich kalt
bis ins Mark; die harten Schritte haun
Feuer aus dem turmhoch steilen Zaun,
noch sein kurzes Atmen wolkt geballt.
Keine Zuchthauszelle klemmt
so in Eis das Denken wie dies Gehn
zwischen Mauern, die nur sich besehn.
Trägst du Purpur oder Büßerhemd –:
immer drückt mit riesigem Gewicht
Gottes Bannfluch: uhrenlose Schicht.
Nichts als Mauern. Ohne Gras und Glas
zieht die Straße den gescheckten Gurt
der Fassaden. Keine Bahnspur surrt.
Immer glänzt das Pflaster wassernaß.
Streift ein Mensch dich, trifft sein Blick dich kalt
bis ins Mark; die harten Schritte haun
Feuer aus dem turmhoch steilen Zaun,
noch sein kurzes Atmen wolkt geballt.
Keine Zuchthauszelle klemmt
so in Eis das Denken wie dies Gehn
zwischen Mauern, die nur sich besehn.
Trägst du Purpur oder Büßerhemd –:
immer drückt mit riesigem Gewicht
Gottes Bannfluch: uhrenlose Schicht.
Aus:
Verkündigung, Anthologie junger Lyrik, Roland Verlag München Pasing 1920
Im Dämmer
Im schwarzen Spiegel der Kanäle zuckt
die bunte Lichterkette der Fabriken.
Die niedren Straßen sind bis zum Ersticken
mit Rauch geschwängert, den ein Windstoß niederduckt.
Ein Menschentrupp, vom Frohndienst abgehärmt,
schwankt schweigsam in die ärmlichen Kabinen;
indes sich in den qualmigen Kantinen
die tolle Jugend fuselselig lärmt.
Nocheinmal wirft der Drahtseilzug mit Kreischen
Den Schlackenschutt hinunter in die flachen
Gelände, drin der Schwefelsumpf erlischt.
Fern aber gähnen schon, vom Dampf umzischt,
des Walzwerks zwiegespaltne Feuerrachen –
und harrn des Winks den Himmel zu zerfleischen.
Meine Seele
Meine Seele fließt zu Dir hinaus,
bis sie silbern wie ein Sternlein wird.
Mein Begehren rankt sich um Dein Haus,
bis ein wunderheimlich Fenster klirrt.
Wie ein Rosenstrauch entbrennt mein Herz,
und ein goldnes Vöglein spinnt und spinnt,
bis wir ganz verschwistert sind.
Meine Seele fließt zu Dir hinaus,
bis sie silbern wie ein Sternlein wird.
Mein Begehren rankt sich um Dein Haus,
bis ein wunderheimlich Fenster klirrt.
Wie ein Rosenstrauch entbrennt mein Herz,
und ein goldnes Vöglein spinnt und spinnt,
bis wir ganz verschwistert sind.
Aus: Schollenbruch Gedichte von Paul Zech
A. R. Meyer Verlag Berlin-Wilmersdorf 1912
Paul Zech, geboren am 19. Februar 1881 in
Briesen (Westpreußen), gestorben am 7. September 1946 in Buenos Aires, bevor er
aus dem Exil nach Deutschland zurück kehren konnte.
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