Montag, 30. September 2024

Marie Holzer: Lied eines kleinen Mädchens

 



Lied eines kleinen Mädchens

Nun bist du fort.
Still ist es in den Fluren.
Kalt lacht der Himmel.
Das Bächlein scheint zu spotten.
Der Wolken leuchtend Hermelin
birgt kein Geheimnis mehr.
Nun bist du fort
und nie mehr kehrst du wieder.
Was du mir gabst
war nur ein warmer Blick,
den ich erwidert, scheu und ängstlich fast.
Doch fehlt er mir und leer ist´s in den Bergen.
Was soll mein Lächeln,
wenn ich´s dir nicht schenken darf?

Marie Holzer. aus: Die Aktion, 2. Jahrgang 1912, Nr. 24

Marie Holzer (geb. Rosenzweig; geboren am 11. Januar 1874 in Czernowitz; gestorben am 5. Juni 1924 in Innsbruck), österreichische Schriftstellerin und Journalistin.

Während eines längeren Aufenthalts in Prag, wo ihr Mann an der Kadettenschule unterrichtete, begann Marie Holzer um 1907, sich für die österreichische Frauenbewegung zu engagieren und publizierte einige Beiträge in der Wiener Zeitschrift Neues Frauenleben. Ab 1907 veröffentlichte sie zahlreiche essayistische und erzählerische Prosatexte im renommierten Prager Tagblatt. 1911 schloss sie sich dem Kreis um Franz Pfemferts expressionistischer Zeitschrift Die Aktion an und veröffentlichte dort in den folgenden Jahren, wie in vielen weiteren Zeitungen und Zeitschriften ihre literarischen Arbeiten, politisch-sozialkritische wie poetische Texte, Prosaskizzen, Lyrik, dramatische Szenen, Essays, Rezensionen und Glossen. Ihre Bedeutung als expressionistische Autorin dokumentiert sich sinnfällig dadurch, dass eine ihrer kleinen Erzählungen, Die rote Perücke (1914), einer 1996 erschienenen Anthologie mit Prosatexten expressionistischer Dichterinnen den Titel gab. Marie Holzers einziges Buch, der Erzählband Im Schattenreich der Seele. Dreizehn Momentbilder. Erschien 1911 bei Bruno Volger. Juni 1924 erschoss ihr eifersüchtiger und tyrannischer Mann zuerst sie und dann sich selbst. (Wiki)

Das Bild ist von Christian Bérard (1902 - 1949)

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