Mittwoch, 11. September 2024

Emma Bonn: Flüchtlinge

 



Flüchtlinge

Ich höre der müden Füße
Eintönig schleifenden Tritt
Wie letzte zögernde Grüße,
Als zöge die Heimat sie mit.

Die Heimat wird immer schwerer,
Die Rücken beugen sich krumm,
Der Himmel wird immer leerer
Und das fremde Land bleibt stumm.

Hier zeigt sich eine Schranke,
Dort eine vergitterte Tür,
Schutzgitter und wehrende Planke -
Sie wandern für und für.

Der Staub an müden Füßen
Ist längst nicht die Heimat mehr.
Sie wandern und beten und büßen,
Ein geisterndes Riesenheer.

Sie finden nirgends Frieden,
Ists`s Segen oder Fluch,
Verstoßen und gemieden.
Doch in des Ewigen Buch.

Da steht eines jeglichen Namen
Geprägt und aufgezählt
Sind alle aus Adams Samen
Und alle von Gott beseelt.

Ich höre das schwere Wandern,
Mein Herz das wandert mit
Von einem Land zum andern
Bis zu dem letzten Schritt.

Emma Bonn (1879–1942) aus: Angela von Gans: Emma Bonn (1879 – 1942). Spurensuche nach einer deutsch-jüdischen Schriftstellerin, Oktober 2021, STROUX Edition.

Das Bild ist von Hans Baluschek (1870 - 1935)

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