Donnerstag, 29. Juni 2017

Paul Klee: Was ich bin - fraget nicht (und andere Gedichte)

Paul Klee, Foto von Alexander Eliasberg, 1911


Was ich bin – fraget nicht.
Nichts bin ich,
zu nichts stehe ich.
Nur von meinem Glücke weiß ich.
Ob ich es verdiene, fraget nicht.
Laßt Euch sagen,
daß es reich ist und tief.
Vor Sonnenuntergang wollt' ich am Ziel sein.
Bei ihr.
Ich war gut gegangen.
Doch schlecht hatte ich gerechnet.
Die unsagbare Sehnsucht nach dem Ziel
beschwerte die vielen Stunden.
Über einen wilden Paß will ich
ins milde Tal.

1901


Zwei Berge gibt es,
auf denen es hell ist und klar,
den Berg der Tiere und
den Berg der Götter.
Dazwischen aber liegt das
dämmerige Tal der Menschen.
Wenn einer einmal nach oben sieht,
erfaßt ihn ahnend
eine unstillbare Sehnsucht,
ihn, der weiß, daß er nicht weiß,
nach ihnen, die nicht wissen, daß sie nicht wissen,
und nach ihnen, die wissen, daß sie wissen.

1903


Eine Art von Stille leuchtet zum Grund.
Von Ungefähr
scheint da ein Etwas,
nicht von hier,
nicht von mir,
sondern Gottes.
Gottes!
Wenn auch nur Widerhall,
nur Gottes Spiegel,
so doch Gottes Nähe.
Tropfen von Tief,
Licht an sich.
Wer je schlief und der Atem stand:
der . . .
Das Ende heim zum Anfang fand.

                                1901

Paul Klee, geboren am 18. Dezember 1879 in Münchenbuchsee, Kanton Bern; gestorben 29. Juni 1940 in Muralto, Kanton Tessin, Maler und Grafiker (und Dichter)

Paul Klee: Gedichte / Neue erweiterte Ausgabe, Verlag der Arche, Zürich 1980

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