Urfrühling
Sie trug eine Schlange als Gürtel
Und Paradiesesäpfel auf dem Hut,
Und meine wilde Sehnsucht
Raste weiter in ihrem Blut.
Und das Ursonnenbangen,
Das Schwermüt'ge der Glut
Und die Blässe meiner Wangen
Standen auch ihr so gut.
Das war ein Spiel der Geschicke
Ein's ihrer Rätseldinge . . .
Wir senkten zitternd die Blicke
In die Märchen unserer Ringe.
Ich vergass meines Blutes Eva
Ueber all' diesen Seelenklippen,
Und es brannte das Rot ihres Mundes,
Als hätte ich Knabenlippen.
Und das Abendröten glühte
Sich schlängelnd am Himmelssaume,
Und vom Erkenntnisbaume
Lächelte spottgut die Blüte.
Sie trug eine Schlange als Gürtel
Und Paradiesesäpfel auf dem Hut,
Und meine wilde Sehnsucht
Raste weiter in ihrem Blut.
Und das Ursonnenbangen,
Das Schwermüt'ge der Glut
Und die Blässe meiner Wangen
Standen auch ihr so gut.
Das war ein Spiel der Geschicke
Ein's ihrer Rätseldinge . . .
Wir senkten zitternd die Blicke
In die Märchen unserer Ringe.
Ich vergass meines Blutes Eva
Ueber all' diesen Seelenklippen,
Und es brannte das Rot ihres Mundes,
Als hätte ich Knabenlippen.
Und das Abendröten glühte
Sich schlängelnd am Himmelssaume,
Und vom Erkenntnisbaume
Lächelte spottgut die Blüte.
Paul Leppin: Die
Lasker-Schüler
Keine von den Frauen, die ich kenne, ist so
meilenweit von aller Literatur entfernt, so unbedingt in ihre Gesichte
versponnen, mit Riten, Symbolen, Liebhabereien gesegnet, wie Else Lasker-Schüler. Sie ist die Verkünderin, die inbrünstige
Ausdeuterin in einer kaum vorstellbaren Weise. Sie hat eine legendenhafte Art,
mit den Herrlichkeiten der Schöpfung zu kosen, sie andächtig zu betrachten, mit
den Fingern an sie zu rühren. Die lichtgesprenkelte Pfauenschleppe des Kometen,
der blühende Mond, das Abendrot, dunkle Rubine funkeln in ihren Verszeilen. Sie
hat Schicksal, Einsamkeit, brennendes Herzweh erlebt, dürftige Jahre,
heischende Pflichten. Nichts, was mit ihr geschehen konnte, war angetan, die
drängende Fülle ihrer Berufung zu zerstören. Sie ist wie die Bäume, von denen
sie erzählt, daß sie im Erdboden haften, wo die Erwartung des Himmels sie
festhält. Der Baum, die Pflanze, die Blume haben keine Weltanschauung. Aber die
Welt kommt zu ihnen, sie lassen sich feierlich von der Welt anblicken und
wachsen in ihre Träume. So geschieht es der Dichterin. Sie ist mit der Welt
vertraut, ist mit ihr zusammen zur Schule gegangen und Gottes monumentaler
Schrank beliefert sie mit Paradestücken. Wenn sie von ihrer Kindheit berichtet,
dem sauren Kirschbaum im Garten des Vaterhauses, den Schaumkrautwiesen und
versunkenen Wäldern ihrer Sonntagsausflüge im Wuppertale, von der
Knopfsammlung, die sie in ebenmäßiger Reihe als bunte Strophe auf dem Tische
ordnete, kommen Geheimnisse zutage, schüchterne Anmerkungen und Bekenntnisse.
Da war ein Knopf, der war der schönste von allen, der durfte überall liegen, wo
er wollte. »Er war aus Jett, besät mit goldenen Sternlein, und ich staunte ihn
an. Er war das Himmelreich meiner Knöpfe und hieß: Josef von Ägypten. So oft
neckt man mich mit einem Ausdruck, der sich immer wiederhole in meinen
Gedichten. Es ist wahrscheinlich der sternbesäete Knopf.«
Der Hang zu Tand und schimmernden Nichtigkeiten,
farbigen Schnüren, Perlen und koboldartigen Dingen ist ihr geblieben. Er ist
wohl in der spanischen Blutmischung begründet, die ihr »liebmütterlicherseits«
zuteil ward. Als ich sie kennenlernte, als junger Mensch, der neugierig im
Wellenschlag des Berliner Literaturlebens stöberte, war sie mein stärkster
Eindruck. Sie war anders als der Betrieb, der sie mitriß, unnachgiebig und
sonderbar. Sie war vor Zugeständnissen gefeit, die ihr an den Leib rückten. Sie
hatte Geschenke und Auszeichnungen zur Hand, mit denen sie Auserwählte
beglückte: Glassteine aus einer vertrackten Schatulle, die sie stolz und
verheißungsvoll auskramte, Ordenszeichen und Titel, mit denen sie Freunde
dekorierte. Snobismus und journalistische Halbheit haben sie nie erreicht. Sie
war immer vom Geiste besessen, der in ewigen Räumen schweifte, ein unzerbrechliches
Gefäß der Offenbarung in einer von stumpfer Begier zerbröckelten Gegenwart. In
den Kaffeehäusern ihres Bezirkes saßen die Aristokraten, die ihre Gnade ernannt
hatte, ihre Zuneigung salbte. In allen Städten Europas hatte sie Statthalter
ihrer Freundschaft. In der Nacht ihrer Not erhob sie sich selbst zum Prinzen
von Theben. Es ist naheliegend, über ein Zeremoniell zu spotten, das Embleme
und fremdartige Anschriften ersann, mit Siegel und Halbmond ihre Dekrete
fertigte. Aber die unerschütterliche Haltung dieser Frau, ihr allezeit
beglaubigtes Dichtertum, der Glanz des »Gottostens«, der ihren Sprüchen
vorausgeht, die Gerechtigkeit und der Sinn ihres reinen Herzens strafen die
nüchterne Skepsis Lügen. Die Staatsgalerie hat vor einigen Jahren ihre bizarren
Zeichnungen angekauft, gekrönte Köpfe, paradiesische Fahrten ins Flitterland
ihrer Gedanken, Mondsicheln und Heiligkeiten. Es sind vom Wege verirrte Szenen,
vergittertes Temperament, Schwüre und Verzückungen, die so stark auf sie
einströmten, daß die Umfriedung ihrer Verse nicht ausreichte, daß sie
Tuschfeder und Goldlack zu Hilfe nehmen mußte, um sie zu bannen.
Nun ist nach langer Frist eines durch Ungunst
erzwungenen Verstummens ihr neues Buch erschienen. Es nennt sich »Konzert« (Rowohlt-Verlag in Berlin) und bringt die gläubig
gebündelte Ausbeute von Jahreszeiten und Jahren, die über verklärten
Landschaften, gedämpften Erinnerungen stehn. In dieser Folge von Bildern,
Gedächtnistagen und Schwärmereien begegnen wir immer wieder dem Angesichte
Gottes, wie sie es glühend erlebt, dem Erzengelzauber ihrer Vision, der
Bundeslade überirdischer Süchte. St. Peter Hille, der prophetische Apostel, ihr
Gottkamerad, wie sie ihn erschauernd anspricht, hat wieder ein ehrfürchtiges
Denkmal bekommen. Dieser »abstrakteste Mensch, der zurzeit auf Erden wandelte«,
muß ihr wohl irgendwie geglichen haben. Auch sein, des heimlichen Papstes
Vatikan, war nicht von dieser Welt. Seine biblische Jüngerin, die er in
zärtlich gesinntem Spiel vormalig »Tino«, das Mädchen mit den Knabenaugen
nannte, ist gleich ihm der Sentimentalität verfremdet. Und sie verfällt ihr
auch nicht, wenn sie in schlichter Verhaltenheit von einem Verstorbenen redet,
ihrem süß-schönen Sohne Paul, der als Maler ihre Talente erbte, der nicht nur
ihr Kind, der auch ihr kleiner Bruder gewesen war und dem sie ihr Buch in Liebe
zueigen gibt. Das »Konzert« der Else Lasker-Schüler ist die Musik der Mythe.
Tote und Abtrünnige schlagen die Lider auf, Heerscharen, Gebete und Tierseelen
sind darin verzaubert. Es ist Prosa, die tief und einfältig leuchtet und es
wundert uns gar nicht, wenn zwischen den Blättern dieser Erzählungen, wie Gold
im Gestein, der Rhythmus eines Gedichtes verstreut ist. Versöhnung,
edelgewordener Alltag sind holdselig aufgetan. Kummer öffnet den strahlenden
Kelch und duftet:
Es ist so dunkel heut,
Man kann kaum in den Abend sehen.
Ein Lichtchen loht,
Verspieltes Himmelchen spielt
Abendrot
Und weigert sich in seine Seligkeit
zu gehen.
– So alt wird jedes Jahr die Zeit –
Und die vorangegangene verwandelte
der Tod.
* * *
Aus: Prager Presse. Jg. 12, Nr. 201
vom 24. Juli 1932. S. 9 (»Kulturchronik«).
Else
Lasker-Schüler, geboren
am 11. Februar 1869 in Elberfeld; gestorben am 22. Januar 1945 in Jerusalem)
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