Dienstag, 23. Januar 2018

Ernst Blass: An Gladys / Strand / In sanften Wehen ist der Herr




An Gladys (Die Straßen komme ich entlang geweht)

So seltsam bin ich, der die Nacht durchgeht,
Den schwarzen Hut auf meinem Dichterhaupt.
Die Straßen komme ich entlang geweht.
Mit weichem Glücke bin ich ganz belaubt.

Es ist halb eins, das ist ja noch nicht spät. . .
Laternen schimmern süß und schneebestaubt.
Ach, wenn jetzt nur kein Weib an mich gerät
Mit Worten, schnöde, roh und unerlaubt!

Die Straßen komme ich entlang geweht,
Die Lichter scheinen sanft an mir zu saugen,
Was mich noch vorhin von den Menschen trennte;

So seltsam bin ich, der die Nacht durchgeht. . .
Freundin, wenn ich jetzt dir begegnen könnte,
Ich bin so sanft, mit meinen blauen Augen!


Am 23. Januar 1939 starb in Berlin nach schwerer Krankheit und vereinsamt der Dichter Ernst Blass, der 25 Jahre vorher zu den bekanntesten Lyrikern des Expressionismus gehörte. Sein erster Gedichtband  -  „Die Straßen komme ich entlang geweht“ erschien 1912. Von einem Lyriker wünschte er sich: „. . . daß er manchmal recht ins Alltägliche hineingeklebt ist; der noch in der Erhebung weiß, daß man nicht immer erhoben ist.“

Später wandte er sich mit seiner Arbeit mehr der Naturlyrik zu, von Stephan George beeinflusst. Das fand nicht immer den Gefallen seiner Freunde. Genutzt hat ihm es nichts, die Nazis verbrannten seine Bücher trotzdem. Heute ist Ernst Blass ein Vergessener. Zu Unrecht. Schrieb er doch so wunderbare Zeilen wie die folgenden aus seinem Gedicht „Nachts“:

Auf des Daseins geschwungener Brücke
Höre ich dann und wann so ein Lied
Kann nicht recht vorwärts und kann
Nicht zurücke
Doch fühle, daß alles geschieht.

„Der neue Dichter (der den Alltag kennt, der den Schwindel durchschaut) wird gegen künstlerisches Schaffen überhaupt, soweit es unkritisch ist, etwas skeptisch sein, – dennoch wird er eine Melodie haben ...

Weil er wahrheitsliebend ist, werden seine Dichtungen um viel Melodieloses im Erdenleben wissen, – dennoch Dichtungen sein; Dichtungen voll der Schönheit und Intensität eines großen Willens zur Ehrlichkeit. Er wird etwas geben, was, wie Kurt Hiller sagt, funkelt »zwischen Stahl und der Blume Viola«.

Zusammengefaßt: Der kommende Lyriker wird kritisch sein. Er wird träumerische Regungen in sich nicht niederdrücken. Noch im Traume wird er den ehrlichen Willen zur Klärung diesseitiger Dinge haben und den Alltag nicht leugnen. Und diese Ehrlichkeit wird die tiefste Schönheit sein.“

Aus dem Vorwort zu „Die Straßen komme ich entlang geweht“ 1912


Strand

Wir fühlen Sand und Sommer und die Wellen,
Die nachmittags an unsre Träume spülen,
Und sehen in dem Duft von frischen Kühlen
Sehr sichre Segler hell vorüberschnellen.

Und während wir die leichtbeladnen Stunden
Halb spielend und halb fliehend übergleiten,
Steht still in unsern Blicken, ohne Wunden,
Altkluge Trauer und der Glanz der Weiten. 



In sanften Wehen ist der Herr

So war der Lenz, ewigen Glaubens Spender,
Selber so ewig nicht, wie er gelind:
Der heitren Jugend kam der rauhe Wender,
Und unsrer Wiesen Herrscher ward der Wind!

Doch glauben wir, getreu dem ersten Bunde,
Die Kraft von stillen und erhabnem Lied
Und preisen in der nun erhaltnen Wunde
Die Einfachheit des Opfers, das geschieht.

Denn nicht im Feuer und im Wolkenbruche,
Nicht in der Schlachten blutigem Gezerr:
Es lebet Gott in einem schlichten Spruche,
In sanften Wehen ist der Herr.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen