An Gladys
(Die Straßen komme ich entlang geweht)
So seltsam bin ich, der die Nacht
durchgeht,
Den schwarzen Hut auf meinem
Dichterhaupt.
Die Straßen komme ich entlang geweht.
Mit weichem Glücke bin ich ganz
belaubt.
Es ist halb eins, das ist ja noch
nicht spät. . .
Laternen schimmern süß und
schneebestaubt.
Ach, wenn jetzt nur kein Weib an mich
gerät
Mit Worten, schnöde, roh und
unerlaubt!
Die Straßen komme ich entlang geweht,
Die Lichter scheinen sanft an mir zu
saugen,
Was mich noch vorhin von den Menschen
trennte;
So seltsam bin ich, der die Nacht
durchgeht. . .
Freundin, wenn ich jetzt dir begegnen
könnte,
Ich bin so sanft, mit meinen blauen
Augen!
Am 23. Januar 1939 starb in Berlin nach schwerer
Krankheit und vereinsamt der Dichter Ernst Blass, der 25 Jahre vorher zu den
bekanntesten Lyrikern des Expressionismus gehörte. Sein erster Gedichtband - „Die
Straßen komme ich entlang geweht“ erschien 1912. Von einem Lyriker wünschte er
sich: „. . . daß er manchmal recht ins Alltägliche hineingeklebt ist; der noch
in der Erhebung weiß, daß man nicht immer erhoben ist.“
Später wandte er sich mit seiner Arbeit mehr der
Naturlyrik zu, von Stephan George beeinflusst. Das fand nicht immer den
Gefallen seiner Freunde. Genutzt hat ihm es nichts, die Nazis verbrannten seine
Bücher trotzdem. Heute ist Ernst Blass ein Vergessener. Zu Unrecht. Schrieb er
doch so wunderbare Zeilen wie die folgenden aus seinem Gedicht „Nachts“:
Auf des Daseins
geschwungener Brücke
Höre ich dann und wann so
ein Lied
Kann nicht recht vorwärts
und kann
Nicht zurücke
Doch fühle, daß alles
geschieht.
„Der neue Dichter (der den Alltag
kennt, der den Schwindel durchschaut) wird gegen
künstlerisches Schaffen überhaupt, soweit es unkritisch ist, etwas skeptisch
sein, – dennoch wird er eine Melodie haben ...
Weil er wahrheitsliebend ist, werden
seine Dichtungen um viel Melodieloses im Erdenleben wissen, – dennoch Dichtungen
sein; Dichtungen voll der Schönheit und Intensität eines großen Willens zur
Ehrlichkeit. Er wird etwas geben, was, wie Kurt Hiller sagt, funkelt »zwischen
Stahl und der Blume Viola«.
Zusammengefaßt: Der kommende Lyriker
wird kritisch sein. Er wird träumerische Regungen in sich nicht niederdrücken.
Noch im Traume wird er den ehrlichen Willen zur Klärung diesseitiger Dinge
haben und den Alltag nicht leugnen. Und diese Ehrlichkeit wird die tiefste
Schönheit sein.“
Aus dem Vorwort zu „Die Straßen komme ich entlang geweht“
1912
Strand
Wir fühlen Sand und Sommer und die Wellen,
Die nachmittags an unsre Träume spülen,
Und sehen in dem Duft von frischen Kühlen
Sehr sichre Segler hell vorüberschnellen.
Die nachmittags an unsre Träume spülen,
Und sehen in dem Duft von frischen Kühlen
Sehr sichre Segler hell vorüberschnellen.
Und während wir die leichtbeladnen Stunden
Halb spielend und halb fliehend übergleiten,
Steht still in unsern Blicken, ohne Wunden,
Altkluge Trauer und der Glanz der Weiten.
Halb spielend und halb fliehend übergleiten,
Steht still in unsern Blicken, ohne Wunden,
Altkluge Trauer und der Glanz der Weiten.
In sanften Wehen ist der Herr
So war der Lenz, ewigen
Glaubens Spender,
Selber so ewig nicht, wie
er gelind:
Der heitren Jugend kam
der rauhe Wender,
Und unsrer Wiesen
Herrscher ward der Wind!
Doch glauben wir, getreu
dem ersten Bunde,
Die Kraft von stillen und
erhabnem Lied
Und preisen in der nun
erhaltnen Wunde
Die Einfachheit des
Opfers, das geschieht.
Denn nicht im Feuer und
im Wolkenbruche,
Nicht in der Schlachten
blutigem Gezerr:
Es lebet Gott in einem
schlichten Spruche,
In sanften Wehen ist der
Herr.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen