Lovis Corinth (1858 - 1935) Portait Alice Berend |
Kleine
Ballade
Sie
wohnte vier Treppen,
Er unten im Keller,
Und beide hatten sie keinen Heller.
Er unten im Keller,
Und beide hatten sie keinen Heller.
Wohl
litten sie nicht Hunger und Not,
Doch was sie verdienten mit ehrlichem Sinn,
Das reichte so gerade zum Leben hin.
Doch was sie verdienten mit ehrlichem Sinn,
Das reichte so gerade zum Leben hin.
Jung
waren sie beide und lebensfroh,
Machten sich weiter keine Sorgen.
Kam heute das Glück nicht, kam's wohl morgen.
Machten sich weiter keine Sorgen.
Kam heute das Glück nicht, kam's wohl morgen.
Kehrten
arbeitsmüd' sie am Abend heim,
So schauten beide zum Fenster hinaus
Und sahen nach dem Glücke aus.
So schauten beide zum Fenster hinaus
Und sahen nach dem Glücke aus.
Aus dem
Dache sah sie,
Aus dem Keller sah er,
Und mancher Seufzer flog hin und her.
Aus dem Keller sah er,
Und mancher Seufzer flog hin und her.
An
einem heissen Maientag
Sprach er sie schüchtern drunten an,
Als sie die Treppen zu steigen begann.
Sprach er sie schüchtern drunten an,
Als sie die Treppen zu steigen begann.
»Da
oben ist's wohl jetzt schön heiss?«
»Ja,« lacht sie, »ja, der Sonnenschein
Heizt etwas stark mein Zimmerlein.«
»Ja,« lacht sie, »ja, der Sonnenschein
Heizt etwas stark mein Zimmerlein.«
»Und zu
mir kommt gar keine Sonne herein.«
»Nun,« meint sie mit einem fröhlichen Nicken,
»Ich werd' etwas Sonne hinunterschicken.«
»Nun,« meint sie mit einem fröhlichen Nicken,
»Ich werd' etwas Sonne hinunterschicken.«
»Dürfte
ich sie nicht holen kommen?«
»Nein, i bewahre!« Und im Lauf
Rennt sie die vier Treppen hinauf. – – –
»Nein, i bewahre!« Und im Lauf
Rennt sie die vier Treppen hinauf. – – –
Doch
seltsame Dinge geschehen im Mai,
Am selben Abend, der Mond schien herein,
Holte er noch seinen Sonnenschein.
Am selben Abend, der Mond schien herein,
Holte er noch seinen Sonnenschein.
Aus: Die zehnte Muse, Dichtungen vom Brettl und fürs Brettl, herausgegeben von Maximilian Bern, Verlag Otto Eisner, Berlin, 12. Tsd. 1904
Alice Berend, geboren am 30. Juni 1875 in Berlin; gestorben am 2. April 1938 in Florenz war eine erfolgreiche Romanschriftstellerin. Seit etwa 1910 schrieb sie eine Reihe von humoristischen bis realistischen Romanen und Kinderbüchern, die ihr den Ruf einer „kleinen Fontane“ einbrachten. Im Jahr 1933 wurden ihre Werke von den Nationalsozialisten auf die „Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums“ gesetzt. Im Jahr 1935 emigrierte sie nach Florenz. Dort starb sie am 2. April 1938 verarmt und als Schriftstellerin vergessen.
Ihr bekanntestes Gedicht (sie schrieb vereinzelt Werke für´s Kabarett) ist wohl das Werk "Der Backfisch". Selbst heute noch lesenswert, denn wer eine pubertierende junge Frau im Hause hat, erkennt darin sicher einiges wieder. . .
Der Backfisch.
Kichernd
Und wispernd,
Geheimnisse flüsternd,
Vor Lachen erstickend,
Kichernd
Und wispernd,
Geheimnisse flüsternd,
Vor Lachen erstickend,
Verlegen sich drückend,
Vor Neugierde zitternd,
Unpassendes witternd,
In Liebesgram härmend,
Für Lehrer schwärmend,
Unpassendes witternd,
In Liebesgram härmend,
Für Lehrer schwärmend,
Immer schleckend und naschend, –
Mit Notentaschen,
Mit langem Zopf
Am zappligen Kopf,
Bestrebt, zu probieren
Mit langem Zopf
Am zappligen Kopf,
Bestrebt, zu probieren
Das Kokettieren,
Ganz ohne Sorgen
Für heut oder morgen
Und zehnmal klüger als Mama,
Schwupp – so steht der Backfisch da.
Für heut oder morgen
Und zehnmal klüger als Mama,
Schwupp – so steht der Backfisch da.
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