Mittwoch, 3. April 2019

Jakob Haringer: Tauben flattern ums Gefängnis

Erich Büttner (1889 - 1936): Portrait Jakob Haringer


. . . lasst mich allein mit der Liebsten,
wir fordern nichts ein.
Wir wollen nur ganz einfach
miteinander sein.


Tauben flattern ums Gefängnis


Die Tage können nicht mehr kleiner sein.

Zwar sitzt du noch bescheiden in der Sonne.

Du weißt bestimmt : es wird kein Glück mehr kommen,
und du bist toter als der ärmste Stein;
den wird vielleicht noch Abend überglänzen,
und Moos und Tiere ja sind gut zu ihm,
nur dich erharrt kein schimmernd Abendfenster,
befleckst Voll Grau das letzte Kindergrün.
Es ist ganz gleich, ob du auch noch mal betest,
ob du im Morgen, ob im Abend bist,
Ob dich auch leis ein kleiner Brief noch rötet,
du weißt bestimmt, daß du Verloren bist.

Für dieses Leben hilft kein Glaube mehr,
keine Marie. Du liest die Zeitung noch,
und so als seist du schon verstorben. Und doch
zieht süß ein Duft von Rosen zu dir her.

Am 3. April 1948 starb in Zürich der 1898 in Dresden geborene Dichter Jakob Haringer.

„Die Gedichte sind echtes Gewächs, keine lyrische Ware. Dreierlei gehört zur Kunst: einmal, daß einer etwas ist, – einmal, daß er zu sich gefunden hat, – einmal, daß er etwas kann. Das ist dreifache Gnade. Haringer schreibt, wie ihm zu Mut ist. Dabei wäre nichts. Aber er ist von Haus aus Lyriker und Könner. Und darum ist es alles. Selbst wenn die Gedichte zu einem Teil sich formal nicht schließen, als Einzelwesen schwer bestehen. Woran denke ich bei diesen Stücken? An Tübingen, Hölderlin, die Maler Spitzweg, an Richter, Blechen. Eine sehr deutsche Pflanze. Verschollener Typ eines vagierenden Poeten. Er schreibt von Kinos, Cafés, aber fühlt Rothenburg und Nürnberg…“

Alfred Döblin über Jakob Haringers Lyrik

René Schwachhofer schrieb 1947 in der verdienstvollen Auswahl vergessener, von den Faschisten verfemter Lyriker Vom Schweigen befreit:

„Haringer hat einige der schönsten deutschen Gedichte geschrieben; sie könnten im Volksmund umgehen. Einst wird man fragen: Wer war ihr Verfasser?“

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