Montag, 19. Juni 2023

Bruno Frank: Vereinsamt, Wandlungen, Der Glücklichste, Neue Hoffnung

 



Vereinsamt

Viel frohe Freunde hattest du erkoren
Zu Sang und Tanz und heiterm Liebesspiele,
Doch endlich suchtest du zum eignen Ziele
Den eignen Weg  –  da hast du sie verloren.

Wie kann der Wandrer nach Vergangnem fragen?
Der Wandrer geht vorbei an manchen Orten.
Wer viel geliebt hat und geliebt ist worden,
Der hat auch viele Toten zu beklagen.

(1905)


Wandlungen

Stiller Stunden Traumgewalten
Hatten lachend wir gebannt
Und nach derberen Gestalten
Griffen wir mit fester Hand.

Nun das Sichre uns versunken,
Das Erkannte endlos weit,
Nun vertraun wir, traumestrunken,
Jener andern – Wirklichkeit.

(1907)


Der Glücklichste

So wie er Vögel über blassern Wiesen
Sich sammeln sieht und hin und wider schießen
Pfeilauf, pfeilab, pfeilaus,
Und weiß: in schönem Zuge hingetragen
Entgleiten sie nach wenig Tagen –

So mag sein Wünschen auf und nieder schwirren,
So mag sein Los mit fremdem Los sich wirren,
Ihn irrt die Irrsal nicht.
Er traut: beim großen, gar nicht fernen Fluge
Bin ich an meinem Ort im schönen Zuge.

Simplicissimus, 16. Jahrgang, Heft 33, 13. November 1911


Neue Hoffnung

Auch das enttäuschte Herz beginnt zu schlagen,
Da seidenzart der Himmel wieder blaut.
Und Liebe, scheu, will neue Flüge wagen,
Da sich die Welt voll Hoffnung auferbaut.

Vergangne Freuden gleich geheimen Sagen
Gemahnen uns, kein Guter ruft sie laut.
Doch nur ein Herz, das auf das Schöne traut,
Ein hoffend Herz nur, kann das Schwere tragen.

(1917)

Alle aus: Bruno Frank, Werke, 4. Gedichte, Stuttgart 2016




Bruno Frank, geboren am 13. Juni 1887 in Stuttgart; gestorben am 20. Juni 1945 in Beverly Hills. Er bestimmte die literarische Szenerie der 1920er Jahre in Deutschland maßgeblich und war ein namhafter Exilautor. Seine bedeutendsten Werke sind die Erzählungen Tage des Königs und Trenck, die beide um Friedrich den Großen kreisen, die Politische Novelle, mit der er die deutsch-französische Aussöhnung thematisierte, die Komödie Sturm im Wasserglas und die Exilromane Cervantes, Die Tochter und Der Reisepaß. Nach dem Zweiten Weltkrieg erlebten Franks Werke eine kurze Renaissance, gerieten jedoch ab den 1990er Jahren in Vergessenheit.

Einen Tag nach dem Reichstagsbrand 1933 verließ er in klarer Voraussicht des kommenden NS-Terrorregimes seine Heimat. Er lebte zuerst am Luganersee in der Schweiz, dann abwechselnd in Salzburg und London, zeitweise auch in Paris und Südfrankreich. 1937 emigrierte er nach Kalifornien, wo er nach dem Ende des Kriegs 1945 starb, ohne seine Heimat wiedergesehen zu haben. In der Emigration kämpfte er literarisch und politisch gegen das Dritte Reich, zusammen mit vielen anderen namhaften Exilautoren, und unterstützte zusammen mit seiner Frau seine notleidenden Kollegen mit Rat, Tat und Geld.

(Wiki)

Die Illustration ist von Otto Friedrich Carl Lendecke (1886–1918) - Simplicissimus, Jahrgang 22, 1917

Das Foto zeigt den Dichter 1906

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