Dienstag, 1. Februar 2022

Jakob Haringer: Land der Zauberei

 


Jakob Haringer  (1898-1948), aus: Das Fenster, Pegasus Verlag Zürich 1946

Seine Gedichte waren Würfe, er hat nicht daran gefeilt und gearbeitet. Er hatte keine Selbstkritik und gehörte zu den Autoren, bei denen Herrliches neben ganz Schwachem steht… Haringer hatte mir 1945 das Fenster-Manuskript angeboten. Wie oft er es zuvor schon anderswo versucht hatte, weiß ich nicht… Nachdem wir uns kennengelernt hatten, kam Haringer in regelmäßigen Abständen häufig nach Zürich und blieb jedesmal etwa eine Woche bei uns zu Gast. Er gehörte fast schon zur Familie, was er sichtlich auch genoß… Seine Egozentrik war gelegentlich schon sehr anstrengend und seine Ausdrucksweise ziemlich vulgär, was jedoch durch seine unglaubliche Infantilität gemildert wurde. Schwer zu verdauen war – undifferenziert ausgedrückt – sein Größenwahn. Er überspielte und kompensierte dauernd. Ein Bohemien war er nur äußerlich, er suchte Geltung, Ansehen, materielle Bestätigung… Bevor das Fenster in Satz ging, kämpften wir lange und hartnäckig um das Manuskript. Zunächst mußten fragwürdige Gedichte (zumeist überbordende balladeske Gebilde) ausgeschieden werden. Im übrigen ging es ausschließlich um Rechtschreibung und Zeichensetzung (er war darin maßlos und inkonsequent). Er hat mich danach mit Vorliebe als „Duden-Papst“ und „Genie-Killer“ beschimpft. Aber mit dem Resultat war er dann doch sehr zufrieden und einverstanden, ja sogar stolz darauf…“

 

Gregor Müller (Verleger von Haringers Gedichtband „Das Fenster“in einem Brief vom 9. Mai 1981 an den Aufbau-Verlag

Das Bild ist von Isaac Grünewald (1889  -  1946)

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