Montag, 22. Dezember 2025

Gertrud Kantorowicz, Weihnachten 1944

 



                                                                                    Weihnachten 1944


Narrentänze -
Doch wenn dunkle Tannenkränze
Gaben die die Not ersonnen
Lichtlein noch vom ewigen Bronnen
Großen Lichts Symbol und Spende
Und des Ofens Feuerbrände
Glühen weil die Laune günstig
So ersehnt - erfleht inbrünstig -
Wenn verwandtes ernstes Fühlen
Nach den Liebsten nach den Fernen
Fremde eint wie unter Sternen -
Wenn all dies uns trägt und presst
Wird die Weihnacht doch zum Fest.
Und ob auch die Tränen fließen
Lasst die Stunde uns genießen.

Gertrud Kantorowicz, aus: Verse aus Theresienstadt

Gertrud Kantorowicz wurde in Poznan (Posen) geboren. Sie war Kunsthistorikerin und Übersetzerin. Einst gehörte sie zum Kreis um den Dichter Stefan George. Sie wurde am 6. Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert, wo sie am 19./20.April 1945, also wenige Tage vor der Befreiung, starb. Ihre im Ghetto geschriebenen Gedichte erschienen 1948 unter dem Titel Verse aus Theresienstadt. Das Schlusswort zu diesem Heft lautete:

„Fetzen armseligen Papiers - der verrissene Briefbogen eines
Meraner Gasthofes, die Rückseite einer Ansichtskarte vom Hohen
Neuffen, eine unbenutzte Rückantwortkarte - bilden die Urschrift
vorliegender Gedichte, meist mit Bleistift gekritzelt, vielfach
durchstrichen und verbessert, oft verlöscht und schwer lesbar.
. . . Die hier gedruckten Verse, von einem unwiederherstellbaren
Gedicht abgesehen, sind alles von Gertrud Kantorowicz handschriftlich
Erhaltene der Zeit in Theresienstadt: 6. August 1942 - 19. April 1945“

Das Bild ist von Zdenka Eismannová (1897 - 1943), Aquarell, entstanden im Lager Theresienstadt, wo die Malerin auch umkam.

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