Vier Weihnachts- und Geburtstagsgeschenke:
1) Mein Spielzeug
Ich weiß, wenn ich heut wieder ein paar schwache Reime wage,
Du freust Dich ja darüber und denkst ganz gewiß nicht nur,
dass ich aus Eitelkeit ein Pfauenrad hier schlage,
um so zu prahlen in gespreizter Positur!
Nach manchen meiner unerträglich leeren Tage
weisen die Verse ja zurück als matte Spur,
die ich für Dich hier suchend so zusammentrage,
wie ich als Kind Kastanien spielend zog auf eine Schnur. -
So fügt´ mein Geist, der immer sehnend Deiner dachte,
in schlafverlassenen Nächten sorgsam Wort an Wort;
während in untertags stumpf mein Galeerenwerk vollbrachte,
setzte er das begonnene Reimspiel träumend fort - - -
Und denkt wie einst: Wenn er im Herbst Dir eine Freude machte,
schadest´s ja nicht, dass der Kastanienkranz im Herbst verdorrt!
2) Mein Talisman!
Einen Pfennig, den ich einmal auf der Gosse fand,
wo ein Zufall ihn mir vor die Füße rollte,
habe ich erst hinterher voll Dankbarkeit erkannt
als geprägt aus lauterstem Dukatengolde!
So viel Blender zeigten später sich als Trug und Tand,
als Trompetenblech, das Edelmetall scheinen sollte!
Du nur wahrtest, nachdem mein Vermögen treulos schwand,
immer Deinen vollen Wert und gütigen Bestand,
goldener Pfennig, den ein Zufall aus dem Staub mir holte!
Niemals habe ich wohl einen bessern Griff getan,
als an jenem Tag, da nach dem unscheinbaren
Fund ich mich gebückt und dabei einen Schutz gewann,
der zum Krösus noch mich macht in Elendsjahren.
Was für Phantasiegebilde, welch verlog´ner Wahn,
soviel pfiffig vorgetäuschte Flitterschätze waren!
Du nur bliebst, nachdem viel nebuloser Spuk zerrann,
als Glückspfand mir und segensstarker Talisman,
goldener Pfennig, in des Sturmes drohenden Gefahren.
Alle Stücke, die mein Spartopf außerdem enthält,
womit schlaue Schuldner listig mich bezahlten,
haben nach genauer Prüfung sich herausgestellt -
- wie sich auch in gleißnerischem Lackglanz prahlten -
als gemeines Katzengold und falschgemünztes Geld.
Darum, weil mir solche Talmigroschen zu viel galten,
lass Dich, bis mich reif des Knochenschnitters Sense fälllt,
einziges, letztes Kleinod meiner so verarmten Welt,
goldener Pfennig, fest in eifersüchtigen Händen halten!
Weil ich Dir durch einen Glückszufall begegnet,
liebste Käthe! war, trotz trotz allen feindlichen Gewalten,
doch mein Leben reich und tausendfach gesegnet!
Darum lass Dich, hellste meiner Traumgestalten,
ewig fest in eifersüchtigen Händen halten!
3) Mein sprechendes Bild
Ein kleines Bild hat mir viel neuen Mut geschenkt
und viele trübe Stunden mir erhellt!
So oft ich meinen Blick in dies Antlitz versenkt,
ward es lebendig und hat es beredt erzählt:
„Ich irrte tränenblind durch lange Finsternis;
unzählige Nächte hab ich mich für Dich zerquält!
Je mehr man es durch Dorn und Stachel blutig stieß,
je mehr har sich mein unbewehrtes Herz gestählt.
Als man mich damals nackt aus Deinen Armen riß,
war ich ein junges, sorglos hingegebenes Weib;
ich ahnte kaum des Lebens schale Bitternis,
Dein Glück zu hüten, war mir Pflicht und Zeitvertreib.
Wie tief war diese Stirn seitdem in Staub gebückt!
Wie unbarmherzig hat den armen, zarten Leib
das rauhe Sträflingshemd beleidigt und bedrückt!
Nicht Liebe! - Schmerz machte mich zum reifen Weib.
Es hat dies ernste Auge so viel Leid erblickt,
so viel Verkommenheit mit Abscheu angesehn -
wie viele Seufzer er in Zorn und Scham erstickt,
wird dieser herb geschlossene Mund nie ganz gestehn!
Doch höre, was es auch klar und ohne Worte spricht:
Was immer noch an bitterer Unbill mag geschehn,
ich bin Dir zugeschworen, ich verlass Dich nicht!
Mit Dir will ich einst bis zur letzten Schwelle gehn!
Ich trage wartend jeden schmerzlichen Verzicht
für Dich, den keiner meiner Sinne je vergaß!“ -
Das ist es, was ich in dem sprechenden Gesicht
des kleinen Bildes mit Erschütterung las,
so oft ich meinen Blick in seinen Blick versenkt,
so oft ich prüfend die geliebten Züge maß.
Von allem Glück das mir trotz Tod und Teufel ward geschenkt
wirst Du das Beste bleiben, das ich je besaß!
4) Letzte armselige Gabe!
So voll mein Herz, so leer sind meine ausgeraubten Hände,
man nahm mir alles bis auf ein grauschmutziges Narrenkleid.
So arm bin ich geworden: Meine Festtagsspende
ist nur mein leises Wort im paukenlauten Lärm der Zeit:
Du kamst zur weihnachtlichen Sonnenwende,
als Engel einst in meine Winterwelt geschneit
und zeigtest mir: Der Himmel ist nicht nur eine Legende,
solange Du mich liebst, ist er mir helle Wirklichkeit!
Am schönsten Tage wirst Du mir alljährlich neu geboren,
als Weihnachtsstern in einem feindlich dunklen Nebelland.
Solange Du mir leuchtest, habe ich ja nichts verloren,
als dass man mich aus Deinem milden Licht verbannt!
Nimm, Trösterin vor meines Fegefeuers Toren,
das alles hin, was ich noch zu verschenken fand:
Mein volles Herz, das ich als arme Gabe Dir erkoren,
weil ich so arm bin! Weil so leer ist die entblößte Hand!
Kurt Finkenstein, aus einem Brief an Käte Westhoff, Kassel-Wehlheiden, den 4. Advent 1938; in: Briefe aus der Haft 1935 – 1943, herausgegeben, kommentiert und eingeleitet von Dietfrid Krause-Vilmar, Mitarbeit: Susanne Schneider; 1. Auflage, Verlag Winfried Jenior, Kassel 2001
Kurt Finkenstein wurde als Sohn eines deutschen Offiziers und einer polnischen Jüdin am 27.3.1893 in Straßburg geboren. Seine pazifistische Gesinnung und literarische Interessen führten ihn zur Mitarbeit an der Zeitschrift. "Die Aktion" (Hg. Franz Pfemfert). 1935 wurde er gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Käte Westhoff verhaftet. Mehr als 27 Monate war er in Kasseler Gefängnissen in Untersuchungshaft; im November 1937 wurde er zu siebeneinhalb Jahren Zuchthaus wegen "Vorbereitung zum Hochverrat" verurteilt. Käte Westhoff wurde nach ihrem Freispruch 1937 in das (Frauen-)KZ Moringen, von dort in das KZ Lichtenburg gebracht. In der Gefangenschaft erfuhr Finkenstein vom Tod seiner früheren Frau und seiner beiden Söhne, die als Soldaten in Russland ihr Leben ließen. Am letzten Tage der Verbüßung der Zuchthausstrafe wurde er von der Gestapo in Schutzhaft genommen und erneut nach Breitenau, später von dort nach Auschwitz deportiert, wo er am 29. Januar 1944 ums Leben kam.
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