Freitag, 29. März 2019

Hanns von Gumppenberg: Aus "Das teutsche Dichterross"




Abendlied

Mein Schifflein ruht im Hafen
Zu schauernder Abendstund',
Ein Posthorn tönt verschlafen
Aus kühlem Buchengrund;
Es rauschen so prächtig die Wälder,
Da wird die Seele so weit –
Die Muttergottes kommt über die Felder
Im glitzernden Sternenkleid.

Nach Joseph Freiherr von Eichendorff


Nächtlicher Gang

An dem öden Schilfgestade
Streift der finstre Jäger hin.
Denkt nicht mehr an Himmelsgnade,
Brütet schwarzen Höllensinn.

Manchmal schielt mit krassem Lachen
Er nach seiner Büchse Lauf:
Mitternächt'ge Donner krachen,
Und verzweifelnd schreit er auf!

Ach, er hat sein Lieb verloren,
Und sein Herz ist todeswund;
Trauernd, mit gesenkten Ohren
Schleicht ihm nach sein dunkler Hund.

Nach Nikolaus Lenau


letzter besuch

ob noch ein trost entquille jetzt uns beiden
ich hofft es wohl ich kam zum lampenmahle
doch da ich heißer dürste tief im leiden
dich trinken will entziehst du mir die schale

ich berge schweigend mich im beigemache
die unentschloßnen qualen zu verschonen
denn einsam fahle liebe, törig schwache
sie kann nicht meine träume mehr bewohnen

und glimmt noch jetzt durch leere nacht der zunder
in bitternis dich an mir festzulegen
so will ich deines grams geheimes wunder
mit sanftem saft mit meinen tränen pflegen

nach stefan george

Aus: Das Teutsche Dichterroß in allen Gangarten vorgeritten
von Hanns von Gumppenberg
Neunte und zehnte Auflage
Unveränderte Fassung der achten, vermehrten Auflage
München
Verlag Georg D. W. Callwey 1918

Hanns von Gumppenberg, geboren am 4. Dezember 1866 in Landshut; gestorben 29. März 1928 in München, Dichter, Übersetzer, Kabarettist und Theaterkritiker. Er benutzte die Pseudonyme Jodok und Professor Immanuel Tiefbohrer.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen