Freitag, 22. März 2019

Frida Bettingen: Priesterin ewig unennbarer Liebe



Priesterin ewig unnennbarer Liebe

Ich bin durch ein zartes Herz hindurchgeglitten
in das erhabene Herz der Erde.

Ich bin aller Dinge Wesen, Wanderschaft,
Abendziel, Geburt und Sterbegebärde.

Ich bin Sättigung aller Meere, und Durst.
Oh, meine Freunde, dürstet!
Heiliger Durst beseelt …

Ich bin mit Acker und Menschengebeten
und dem All-Odem der heiligen Sterne
vermählt:

Priesterin ewig unnennbarer Liebe.

 
Aus: Frida Bettingen Gedichte, Georg Müller München 1922
Frida Bettingen (* 5. August 1865 in Ronneburg; † 1. Mai 1924 in Jena; geborene Frida Reuter), Schriftstellerin, expressionistische Lyrikerin.

Die Familie lebte 24 Jahre bis zum Tod von Franz Bettingen in Krefeld, danach zog sie nach Jena. Dort studierte Bettingens Sohn Philologie. Er starb 1914 im Ersten Weltkrieg, was bei Frida Bettingen zu schwerwiegenden psychischen Problemen führte. Ab 1917 hielt sie sich mehrmals in Sanatorien auf. 1923 wurde sie in eine psychiatrische Klinik eingewiesen. Zwischen diesen Aufenthalten war es ihr jedoch möglich, ein weitgehend normales Leben zu führen. Sie schrieb Gedichte, wobei die Inspiration dazu hauptsächlich aus ihrer Trauer und Verzweiflung als Mutter entsprang. Erst mit diesem Spätwerk nahm sie, gefördert von Wilhelm Schäfer, an der expressionistischen Bewegung teil.

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