Samstag, 18. Februar 2017

Hans Schiebelhuth: Berceuse und andere Träume

Das Bild ist von der Fredelsloher Künstlerin Andrea Rausch


Berceuse

Meine seidne Schwester, Südwind will dich umminnen,
Schwester von Gold, schlummre, singende Seele,
Schwester von Bernstein, Sommernacht süß über Himmeln,
Sterne knospen
Im Blau schwebt Mond, der löwenhafte Hüter deines Schlafs.

Träume! Wenn böse Nachtboten kommen,
Vögel der Finsternis,
Will durchs Dunkel denkend ich dir Leuchter schenken,
Sternlicht tragende, und die unsichtbare
Kette, dran die gute Mondampel hängt.

Inmitten des Weltdoms sitzt strahlend im Gnadenstuhl
Aufrecht Gottvater mit gütigen Greisenhänden,
Sankt Lucas, der eine Brille trägt, liest ihm die Schrift.
Auf weißem Eselchen zieht die Madonn
Weithin durchs Ölfeld.

Aber wenn des Morgens Lichtruf hürnen erschallt,
Wollen bronzne Wälder wie Gong tiefer ertönen,
Lenz blutet Mohn um die Raine, Wind wiegt weißes Gewölk,
Goldne Schwalben spielen,
– Dann bist du vom Schlummer blaß, kleine Jilája.


Für Lefherte

Ich habe für dich gedämpfte Hymnen erdacht, Worte
Wirr, nie noch gesagt, nie noch gewagt; nun wachend
Warte ich, bis du aus meinen Augen die Anklage,
Bis du von meinen Lippen das entzückende Lied nimmst.

Seit du gingst, kam vieler Herbst überheid. Blumen
Schickten sich an zu sterben. Bald wird der Bach
Still sein. Aber wer stark ist wie ich,
Den tötet kein Tod. Sehnsucht erhält ihn ewig.

Bleiblütig bin ich über der Welt. Einsam
Über verwaister Stadt, Grambart und bekümmerter Hände.
Dennoch in Hoffnung, daß ein Marienwind
Kommt, die verstörte Stirn der Straße zu glätten.

Du aber wohnst im Grün verschütteter Sommertage. Deinen
Fenstern lacht Lenz. Sorglose Springbrunnen
Silbern Kronen auf über bunten Beeten.
Möwen, Möwen kommen, Grüße vom Meer.

Und wenn die Nachtfrau naht mit der Sternschleppe, ruhst du
Mondgestreichelt bei den seltnen Zeichen opaliger Himmel.
In deinen Traum reden Riedvögel, redet das zärtliche Reh.
Süßer, singender Regen rauscht auf dein Dach.

Nachbluht zerfallner Zeit fiebert um dich. Wesen
Leichtfertiger Menschen rühr wie Handharfe dein kindlich Herz.
Vor deiner Tür beginnt der ewige Weinberg der Freude.
Goldner Wind weht stets in deiner Stadt.

Aber einmal wirst du auch in den heiligen Säulenwäldern
Weinen, daß Gott herabkomme und die Steine erlöst,
Dankbar sein, wenn seine Hand dir immer unsichtbar
Beßre Sternbilder aufbaut über dem Horizont.


Verschenkt Herz

Du bist nicht Gast. Du wohnst in mir.
Hast nicht nur Rast. Hast Bleibe hier.
Hier steht deine Wiege. Hier zäunt dein Geheg.
Hier steilt dir Stiege. Hier mündet dein Weg.

Hier hält dich Helle. Hier hüllt dich Nacht.
Im Brunn quickt Quelle. Speicher füllt Fracht.
Geh aus. Geh ein. Sei unverhofft.
Dein Haus dir offen. Komm gern. Komm oft.


Notturne

Du hörst das Herz der Stadt ganz leise pochen
Durch der Paläste Marmorbrust. Der Wind,
Ein Atemzug, streift die Alleen. Ganz leise.
Der tausend Brunnen Schlummerrede rauscht.

Die Flüsse rinnen silbern in das Dunkel,
Die Zeit. Und aus Zypressen trägt der Traum
Verworrnes Wort der eingeschlafnen Sänger.
Der Grillen Laut vermischt sich ganz der Nacht.

Du hast ins Astwerk einer großen Pinie
Dein Saitenspiel gehängt. Du möchtest ruhn.
Stark duftet Lorbeer aus den schwarzen Gärten.
Die schweren Lider hat die Sphinx gesenkt.


Traum

Mit goldnen Bienen war dein Kleid bestickt. Ich sann,
Wieviele Süße sie an deine Glieder trügen,
Wieviel Musik ihr sickerndes Gesumm.
Du schwiegst. Es war ein Singen in den Simsen,
Als klängen alle Gläser noch einmal
So hell, wie wir sie einst in Lust geleert.
Ich war bei dir und in erregtem Stammeln
Ein Mund voll Gott, und dieses würgte mich:
Ich war bei dir und hatte nach dir Heimweh,
Dies Heimweh, das der ausgeweinte Himmel
Ins Fenster hing, das aus dem Duft der blassen,
Der überblühten Blust die Flucht befiehlt.

Der Mond ward feindlich. Blank vor Eifersucht.
Wie einer Frau, die abends Staat abtut, entglitt
Gewölk, das ihn zuvor verbarg. Er drohte,
Da lösten sich die vielverflochtnen Finger fremd.
Ich neigte tief mich, letzten Kuß und Träne trinken.
Ich schmückte deine Stirn mit einem Stern. Entlassen
Dann, ja entlastet, gingst du in die Nacht.

Ich blieb. O, daß ich blieb. Nun stumpft sich meine Stunde,
Wenn ich im Dunkelraum den Hänfling pfeifen lehre...
Ich send ihn früh dir nach als einen Gruß.


Für eine Freundin

Du bist der dunkle Wind, der über meine Stirn geht,
Der Sturm kündet, streifend am Strand,
Der das Meer bleiern macht, wenn nur noch weiße
Möwen kreischend flattern um zischender Wogen Brandung.

Du bist der dunkle Wind, der über meine Stirn geht,
Gewaltigen Seesturms Bote, der aufbricht am Strand,
Der, zorniger Kamm, das rauhe Dünengras furcht,
Du stille schmeichelnde Hand...

Hans Schiebelhuth (* 11. Oktober 1895 in Darmstadt; † 14. Januar 1944 in East Hampton, New York, USA) war ein expressionistischer deutscher Schriftsteller und Dichter. Die Gedichte sind aus seinem Band "Wegstern" von 1921

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