Variationen nach Heinrich Heine
I.
Ich hatte einst ein schönes
Vaterland.
Hier war der Raum
und war die Zeit mir herzlich
zugewandt.
Es war kein Traum.
An fünfzig Jahre hab ich da gelebt.
Man glaubt es kaum,
wie weit das Leben reicht, wie tief
es strebt!
Es war kein Traum.
II.
Wo wird einst des Wandermüden
letzte Ruhestätte sein?
In den Staaten? In dem Süden?
England? Böhmen? . . . Wieder mein?
Werd´ ich wo in einer Wüste
eingescharrt von fremder Hand?
Oder ruh´ ich an der Küste
eines Meeres in dem Sand?
Komm´s, wie´s kommt! Mich wird
umgeben
froher Werktag, dort wie hier;
nach dem letzten Kampfe schweben
Friedenssterne über mir.
Rudolf Fuchs (* 5. März 1890 in Poděbrady, Mittelböhmen, Österreich-Ungarn; † 17. Februar 1942 in London) war deutsch-tschechoslowakischer Dichter und Übersetzer. Sein erster Gedichtband erschien 1913 in Heidelberg, bis zu seinem Tod im Exil in London, wo er bei einem Bombenangriff starb, sollten noch zwei weitere folgen. Sein letzter war "Gedichte aus Reigate", dessen erstes Gedicht die "Variationen nach Heinrich Heine" waren. Dass er ausgerechnet am Todestag des von ihm verehrten Dichters selber starb, und auch im Exil, wenn auch nicht in Paris, sondern in London, ist vielleicht eine Ironie der Geschichte. . .
Die weiße Rose
Als erste erwacht die weiße Rose.
Ich lehne am Fenster, von Schlaf
nicht gestillt.
Der Himmel erschauert in grauer
Hypnose.
Der Garten liegt da -
ein begonnenes Bild.
Noch lang hat der Vogel im Busch
nicht gezwitschert,
ans naß-schwarze Grün sich
kein Umriß getraut,
als mich schon dein schimmernder
Gruß hat erschüttert,
da ich vor dem Tag hinuntergeschaut.
Ich sah in der Zeitung ein Schlachtfeld
in Flammen,
herübergefunkt durch den Ätherraum.
. .
Schlag über mich, liebreiche Rose,
zusammen,
begrab mich im Schlaf. Und sei mir
ein Traum.
1940
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