Ölbild: Andrea Rausch, Fredelsloh |
Alfons
Paquet, geboren am 26. Januar 1881 in Wiesbaden; gestorben
am 8. Februar 1944 in Frankfurt am Main war Journalist, (Reise-)Schriftsteller,
Konservativer, überzeugter Pazifist und seit 1933 Quäker. Er wurde 1935 von den
Nationalsozialisten als „Kommunist“ verhaftet, kam aber frei und konnte sich
ein einkommen als Journalist und Reiseschriftsteller sichern. Er verzichtete
auf Emigration, obwohl viele seiner Bücher verboten und verbrannt wurden. Am 8.
2. 1944 starb er während eines Bombenangriffes an einem Herzinfarkt im Keller
seines Wohnhauses.
Frag Adam
Befohlen
wird uns. Das fühlen wir. Aber von wem?
Gespielt
wird mit uns. Das fühlen wir. Aber von wem?
Bunt sind
die Fahnen, grausig die Waffen, herrlich
Die Tage
der Geschichte. Aber gut ist auch die Stille,
Die der
Biene gehört zur Bereitung des Honigs. Die Blumen
Gedeihen im
Tau der Frühe und sehnen sich schon am Mittag
Im Licht
des Mondes zurück. Die ernsten Tannen freilich
Setzen Ring
an Ring und schaffen ihr Harz, das macht sie
Stark und
geschmeidig und voll Rauschen im Wind
Und den
ganzen Wald, wenn auch die Axt blitzt,
Völlig zum
Dach des pfadsuchenden Gehers,
Dem Wild
auch und dem Jäger, der ja nicht immer kommt.
Geh weit in
fremdes Land bis die Gletscher hinter dir sind,
Wo die
gewaltige Gobi träg ihre Dünen wälzt
Und ihr
Sand wie Wasser nochmals am Fels sich bricht,
An roten
Mauern um den salzrandigen See.
Es bietet
sich die Forelle dem Griff
Der
Reiterhände. Feuer lodert aus Dung.
Adler
speisen an deinem Herd.
Steig ein
und schwebe, am donnernden Bolzen hängend,
In den
Wolkensaal, der leer steht zum Fest.
Der
Gestalten, die in der Ferne zögern in Glanzgewändern.
Das ist nur
Estrich da oben, alabastern und glatt wie Schnee,
Wenn auch
gewichtslos, so daß eine Feder abwärts wehend
Die Schicht
durchschlüge.
Die Sonne
steht goldenheiß triumphierend im blauen Nichts,
Drin der
Erdball sich dreht. Sein Helles, Belcitetes sinkt
Klaglos ins
Dunkle. Dem Dunklen aber scheinen Sterne,
Die dem
Blick der Sonne nicht sichtbar sind.
Weißt du,
ob du je schon gestorben bist?
Weißt du
sicheren Trost?
Ists nicht
das erstemal, daß du stirbst?
Also hebe
den Becher mit blassem Wein,
Den
gläsernen, schönen Becher, und faß ein Herz,
Frag Adam,
der in dir ist, frage den alten Mann
Von
Millionen Jahren. Den alten Dunklen frage,
Der in dir
haust und saust und braust,
Den
Erstgeborenen, Tiefverlorenen,
Dem die
Augen funkeln.
Frag ihn,
das selbstgerechte Luder, das dem Bruder,
Dem
Heimgekehrten, nicht verzeiht
Und ihn
verklagt und ihn bespeit
Und an das
Kreuz ihn schlägt
Und auf das
Grab sein Siegel legt.
Frag ihn,
der tausendmal gestorben ist,
In Lust
verlodert und in Haß vermodert,
Ein Grab,
das stärker als der Auferstandne ist.
Frag ihn:
was sagt Christ und Gegenchrist?
Wer einmal
sterbend war und die Ölung empfing und genas,
Bleibt kein
Lebender wie die andern.
Auch zu den
Toten ging er noch nicht.
Er bleibt
im Schatten, eigentümlich dem Zwischenland,
Schon
ausgesprochen dem andern Reich. Dennoch gehört
Auch das
Seltsame, was ihm geschieht,
Jenem
Reiche noch nicht an.
Sondern
diesem. Er ist umwittert und außer Verbindung hier.
Außer
Verbindung dort. Er lebt im Perlmutter
Der
ungewohnten Dinge. Ist denn kein andres Jenseits,
Als das in
uns? Nein. In ein andres
Haben wir
keine Voraussicht. Keine.
Weder die
Wüste, noch auch der Wolkensaal
Sind für
dich oder nicht für dich. Am Ende erst
Ahnst du
Allgegenwart. Ahnst du, was alles Einem geschieht.
Herr,
Allgrausamer - Herr, Allgütiger, so erbarme
Dich des
Gefangenen auf seinem Schemel in kahler Zelle.
Des
Verstoßenen gedenke in seiner Einzelhaft. Gedenke derer,
Die mit
Entsetzen lauschen dem schleifenden Schritt im Gang
Und dem
Kettenklirren in der Nachbarzelle.
Herr, höre
nachts im Schweigen aller Wälder,
Aller
Städte, aller Eisenbahnstrecken, überm Meer noch,
Was da
aufsteigt aus den Klöstern, aus dem kahlen Stein
Düsterer
Kirchen, das ewige Gebet, die unablässige Brandung
Und die
schreienden, murmelnden, schluchzenden
Einzelstimmen
in ihr, den Ferngesang.
Herr, der
Brennenden nimm dich an in der Hölle,
Der
Schuldigen, die verurteilt sind mit kurzer Frist.
Ihnen schenkst
du freilich Gewaltiges: den Fluch der Bilder,
Dem
Verbrecher den Kelch mit dem vergossenen Blut,
Die
Sättigung am gemordeten Leib,
Die
Schreckenslust am sprühenden Blick
Des Pfers.
Das weicht lange nicht. Das steht.
Herr,
gedenke der Reichen, die mehr als andre zittern
In ihren
großen Hotels, daß ein Erdbeben alles
Auf seine
Riesenschultern nehme und schüttle.
Auch der
Unschuldigen erbarme dich, die ohne Bilder
Und ohne
Ängste schlafen. Ihrer vor allem. Rühre sie nicht an.
Befohlen
wird uns. Du, horche auch du ein wenig.
Gespielt
wird mit uns. Du, laß uns den Blick
Gebannt auf
das kleine sausende Spiel
Und den
ermatteten Sprung der Kugel,
Und nach
dem Schweigen, das Dumpfes sammelt,
Die
elektrische Lust des neuen Anfangs.
Durch die
Tür der Träume
Tritt ein
in die Zwillingswelt unsrer Stuben,
Wo das Bett
steht, wo das Wasser läuft, wo der Kräuter-Ofen,
Der alte,
glüht und raucht. Dort scheide denn
Arznei und
Asche.
(1936)
Aus: „An den Wind geschrieben, Lyrik
der Freiheit 1933 – 1945“, gesammelt, ausgewählt und eingeleitet von Manfred
Schlösser unter Mitarbeit von Hans-Rolf Ropertz; Schriftenreihe Agora,
Darmstadt 1960
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