Montag, 3. April 2023

Sophie Hoechstetter: Liebesnacht, Toni Schwabe: Nie traf ich einen. . . / Hymne

 



Liebesnacht

Uns leuchtete noch keine Nacht so tief
Wie dieses Sommers schwere Liebesnacht,
Da dir dein Herz erwacht, die dir mein Herz gebracht
Die uns zum Leben rief –

Spürst du – fern sinkt das letzte Schweigen,
Fern klingt der Reigen
Verdämmernder Lieder der Einsamkeiten
Gieb mir die Hand,
Erobererland
Liegt viel noch in uns beiden.

Ich fühle, wie Mund und Hände mir begnadet sind
Ich fühle, wie dein Blut zum Herzen rinnt –
Fühlst du die Nacht? Noch keine war so still –
– So still, als seien alle Tränen ausgeweint
So still, als trüge sie Tod und Unsterblichkeit vereint –
Wie diese, die uns zu den Göttern führen will.

Aus: Vielleicht auch träumen, Verse von Sophie Hoechstetter, Bei Georg Müller, München und Leipzig, 1906


Nie traf ich einen. . .

Nie traf ich einen, der stärker als ich
Mir der Liebe Zügel entrissen hat.
Wen ich schwächer fühlte, dem weigert ich mich,
So daß mich nie einer besessen hat.

Ich küßte nur solche, die Liebe sehnten
Und die, wie ich, den Stärkeren wollten
Und machte, daß sie sich an mich lehnten
Und nicht mehr Liebe entbehren sollten.

Mich – mich allein konnte keiner erlösen –
Und ob ich auch alles von Liebe wüßte:
Ueber mir ist noch keiner gewesen,
Keiner, dem ich mich ergeben müßte.

Aus: Toni Schwabe: Komm, kühle Nacht! Verse. München: Georg Müller, 1908


Hymne

Nach allem Grenzenlosen,
nach Wasser – Luft – den unendlichen Himmeln
nenn ich dich, Geliebte.
Mit dir zusammen stürzte ich
durch die Jahrtausende,
mit dir umschlang ich
zerbrechende Welten,
in dir begriff ich
aller Maße Übermaß –
und erfasste jäh
den Sinn der Liebe:
Ewigkeit.

Toni Schwabe

Sophie Hoechstetter, geboren am 15. August 1873 in Pappenheim, gestorben am 4. April 1943 in der Moosschwaige bei Dachau war Schriftstellerin, Dichterin und Malerin.

Toni Schwabe, Schriftstellerin, Verlegerin, Erzählerin, Lyrikerin, geboren am 31. März 1877 in Bad Blankenburg, gestorben am 17. Oktober 1951 ebendort.

Die beiden Schriftstellerinnen führten von 1902 bis 1905 eine Lebensgemeinschaft. Die Fotos zeigen links Toni Schwabe um 1906, rechts Sophie Hoechstetter um 1902.

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