Montag, 21. August 2023

Alexander Bessmertny: Die alten Schwestern / Sprüche an die Meister / Am Ende

 



Die alten Schwestern

Einst waren Männer jung, die sie umwarben
Und sie beim Walzer hoben aus der Schwere
Der wachen Träume, die die Nacht verdarben.
Jetzt gehn sie einsam abends bis zur Fähre
In ihren Mänteln mit den stumpfen Farben
Und stützen schweigend sich auf die Barriere.
Sie wissen fröstelnd, daß sie lang schon starben
Und ihre Schatten gleiten fort zum Meere.

Alexander Bessmertny, aus: Die Aktion Nr. 27, 1913, Lyrische Anthologie


Sprüche an die Meister

Stefan George, Deuter meiner Blöße,
Der Gipfel wies und talwärts mich verstieß.
Ich steige schwer, geworfen durch die Stöße
Des Sturmes, den dein Geisterodem bließ.

Rainer Maria Rilke. Einst werd ich auch gleichen
Dem reifen Gott im seligen Gedicht.
Du bist mir meines Auszugs Feuerzeichen
Und meiner Tage kündendes Gesicht.

Aus: Die Aktion, Lyrische Anthologie 1913


Am Ende

Mit mir schritt das Pferd,
Mädel trug das Pferd.
Lied floss aus der Flöte
Und die Sonnenröte
Sprang auf meinen Herd.

Krücke ward mein Schwert,
„Dirne“ heißt das Pferd,
Zum Gequäk der Flöte
Paart sich Frosch und Kröte
Auf dem kalten Herd.

Aus: Die Aktion, 9. April 1913

Alexander Bessmertny, geboren am 20. März 1888 in St. Petersburg; Nach dem Ersten Weltkrieg lebte er als freiberuflicher Schriftsteller in Berlin. 1933 musste er als Jude emigrieren. Er zog nach Frankreich, später nach Prag, wo er 1939 denunziert und von der Gestapo verhaftet wurde. Am 22. August 1943 wurde er in Berlin-Moabit hingerichtet.

Das Bild ist von Léon Spillaert (1881 - 1946)

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