Dienstag, 1. August 2023

Hans Schmeier: Sommerabend / Zum letzten Mal. . .

 



Sommerabend

Das waren Abende in der kühlen Ruhe
voll Torfgeruch und spätem Bienensang.
Die Sonne glitt in ihre Truhe
mit rotem Farbenüberschwang.

Der Abendwind durchlief die Äste
und sang am Hang sein dunkles Lied,
das war vom sonnenschweren Tag das Beste:
die klare Zeit, in der man Wunder sieht.

Hans Schmeier

Hans Schmeier wurde am 6. Juli 1925 in Wien geboren. Im Dezember 1938 kam er mit dem ersten von Adolf Eichmann zusammengestellten Kindertransport nach England. Hans Schmeier und sein Freund Erich Fried verkehrten in der Leihbibliothek des aus Wien stammenden Dichters, Buchhändlers, Bibliothekars und Journalisten Fritz Gross (1897-1946), der als unabhängiger Linker schon 1933 mit einer bedeutenden Sammlung deutschsprachiger politischer Literatur nach Großbritannien emigriert war.

1940 schrieb er erste Gedichte, so Erich Fried. Beiträge von Schmeier wurden in „Zeitspiegel“, „Österreichischer Jugend“ (London), Gedichte in der Anthologie „Mut. Gedichte junger Österreicher“ (London 1943) veröffentlicht.

„Am 12. Oktober 1943 bekommt Erich Fried einen Abschiedsbrief zugeschickt, in dem sein bester Freund Hans Schmeier, Dichter wie er, seinen Selbstmord ankündigt. Er ist an den Spannungen innerhalb der Exilorganisationen zerbrochen. Fried verständigt die Polizei. Zur Wohnung des Freundes kann er nicht. Aber er wird zur Identifizierung ins Leichenschauhaus geholt. Die Erinnerung an den Anblick blieb gegenwärtig: Der Kopf des Toten ist mit einem Brett abgestützt, das in der Mitte eine Ausbuchtung für den Nacken hat. ‚Wie in einer Guillotine!‘ Die Augen sind noch halboffen: ‚Er sieht mich noch im Tod an!’”

In der Jackentasche des Toten findet man ein Gedicht. Es prägt sich Erich Fried ein (unveröffentlicht):

Zum letzten Mal, zum letzten Mal
Will ein Gedicht ich schreiben.
Es wird von mir und meiner Qual
Nicht viel sonst übrig bleiben.
Die Welt war gut, die Welt war gut,
Nur ich wußt‘ nicht zu leben.
Euch, Brüder voller Lebensmut,
Bitt ich, mir zu vergeben.
Was kommen mag, was kommen mag,
Ich weiß, ihr werdet siegen.
Es kommt auch ohne mich der Tag,
Laßt mich im Grab‘ nur liegen!
Kein Ende gab’s für meinen Krampf
Als dies, sei’s früher, sei’s später.
Ich fiel im Kampf, ich fiel im Kampf.
Macht mich nicht zum Verräter!“

Aus: Gerhard Lampe – Ich will mich erinnern / an alles was man vergisst - Erich Fried, Biografie und Werk

Das Bild Sommerabend ist von Koloman Moser (1868 - 1918)

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