Einst als ich im Jugendzwinger
manches faules Rätsel biß,
hatt ich vom Tyrannenfinger
einen ganz gewaltigen Schiß.
Jetzt da ich im Evening-Dresse
nur noch allerlockerst sprühe,
ist mir keine Miez zu kesse,
keine Tour macht mir noch Mühe.
Fest im Kopfe die Parole:
„Mia kann keener, nee, mia nich!“
fällt die Geste nach der Sohle:
„Alle könn mia inniglich!“
(die Reim- und Jambenform dient lediglich mnemotechnischen und suggesto-therapeutischen Absichten)
Das Magenlied
Ein scharfer Kerl vermag zu wagen;
ein Wort, zu fallen und zu stehn.
Doch sorge stets für vollen Magen,
willst du zu einer Dame gehn.
Das Meisterlied
Stets ist mein Auge unergründlich.
Um eine Lippen geht es leer.
Und meine harte Hand wird stündlich
zur Folter bald und bald Begehr.
Ich liebe es, das Gold zu locken;
das Tier zu wecken, bis es schreit;
in einer Bar allein zu hocken,
ein Witz auf alle Ewigkeit.
Ich habe nirgends eine Stätte.
Manch stieres Auge mich umwacht.
Tagtäglich ich mich selber wette
und mich gewinne - jede Nacht.
Den Zornpokal des Glücks zu leeren,
ist mein Beruf und meine Lust.
Ich werde mich des Todes wehren,
säß mir schon Ekel in der Brust.
Das Marschlied
Als sehr verwegner Tausend-Rasta
sei nicht zu wild und nicht zu wüst.
Es kommt für jeden mal das Basta.
Drum achte drauf, dass man dich grüßt.
Walter Serner, aus: Letzte Lockerung - Ein Handbrevier für Hochstapler und solche die es werden wollen; Paul Stegmann Verlag, Berlin 1927
Walter Serner, Schriftsteller und Dadaist, geboren am 15. 1. 1889 in Karlsbad. Am 10. August 1942 – Serner arbeitete inzwischen als Sprachenlehrer im Prager Ghetto – wurde er zuerst mit dem Transport Ba nach Theresienstadt, am 20. August 1942 mit dem Transport Bb nach Riga deportiert und dort – wahrscheinlich am 23. August 1942 – im Wald von Biķernieki zusammen mit seiner Frau Dorotea und allen anderen 998 Menschen dieses Transports ermordet.
Das Foto zeigt Walter Serner 1920
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