Sonntag, 14. Mai 2023

Anselm Ruest: Gefühl von Leben

 



Gefühl von Leben

Wohin ich seh´, ich seh´ Vergangenheit,
Und jedes Heute sich sofort versteinen,
Zu eins geronnen mit dem Riesig-Einen.
Und schon getürmt zu starrer Ewigkeit.

Und was auch immer noch ans Herz mir greift
Ist doch, als wärs schon vor mir hergegangen,
Und eh´s zu mir noch konnte hingelangen,
Ward es im leisen Wachstum schon bereift.

Nun weiß ich nicht, ob ich nicht selbst bloß Traum,
Aus alten Zeiten eine alte Sage;
Verwoben schein` ich stets mit jedem Tage,
Und jeder Tag, ich seh´s, zerrinnt zu Schaum.

Anselm Ruest (1878 - 1943), aus: Die Aktion Nr. 37, 30. Oktober 1911

Anselms Ruests erstes größeres Werk war eine Monographie über Max Stirner (1906), ergänzt durch ein von ihm zusammengestelltes Stirner–Brevier. Anselm Ruest hat einige klassische Werke herausgegeben. Clemens Brentanos Godwi (1906) zählt hier ebenso dazu wie Eckermanns Gespräche mit Goethe (1907) oder eine Jean-Paul-Anthologie (1912). Ruest war 1911 Mitbegründer von Franz Pfemferts Zeitschrift Die Aktion. Von 1919 bis 1925 war er Herausgeber der informellen Zeitschrift des Stirnerbundes, Der Einzige, im ersten Jahrgang zusammen mit „Mynona“. Mit dem Aufkommen des Nationalsozialismus emigrierte er 1933 nach Frankreich, wo er ab 1939 mehrmals interniert wurde. Im Jahr 1941 freigelassen, starb er 1943 nach schwerer Krankheit im südfranzösischen Exil. (Wiki)

Das Bild ist von Odilon Redon (1840 - 1916)

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