Wälder
Ihr Wälder fern an Horizonten schwingend,
Vom abendlichen Hauche eingehüllt,
Wie meine Sehnsucht friedlich euch erfüllt,
Minuten Schmerz der Haft bezwingend.
Ich presse meine Stirne an die Eisensäulen,
Die Hände rütteln ihre Unrast wund,
Ich bin viel ärmer als ein armer Hund,
Ich bin des angeschossnen Tieres hilflos Heulen.
Ihr Buchenwälder, Dome des Bedrückten,
Ihr Kiefern, Melodie der Heimat, tröstet Leid,
Wie wobet ihr geheimnisvoll um den beglückten
Knaben der fernen Landschaft wundersames Kleid. . .
Wann werde ich, umarmt vom tiefen Rauschen,
Den hohen Psalmen eurer Seele lauschen?
Ernst Toller, aus: „Gedichte der Gefangenen - Ein Sonettenkreis“ Kurt Wolff Verlag, München 1921
Ernst Toller (geboren am 1. Dezember 1893 in Samotschin, Provinz Posen; gestorben am 22. Mai 1939 in New York City, New York). Schriftsteller, Dramatiker. Als zeitweiliger Vorsitzender der bayerischen USPD und Protagonist der kurzlebigen Münchner Räterepublik wurde er nach deren Niederschlagung im Juni 1919 verhaftet und wegen Hochverrats angeklagt. Er entging mit dem einen Monat später gefällten Urteil der drohenden Todesstrafe und wurde zu fünf Jahren Festungshaft verurteilt.
Bereits während seiner Haft und mehr noch danach wurde er vor allem mit seinen Dramen als einer der maßgeblichen Vertreter des literarischen Expressionismus in der Weimarer Republik bekannt.
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Deutschen Reich wurde Toller aufgrund seiner jüdischen Herkunft und politischen Haltung formell aus Deutschland ausgebürgert. 1933 emigrierte er zunächst in die Schweiz. Seine Werke gehörten zur Liste der im Mai 1933 „verbrannten Bücher“.
1937 emigrierte er in die USA, wo er sich 1939 das Leben nahm.
Das Foto zeigt ihn 1923
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