Wenn ich einmal in eine Stadt komme, besuche ich gerne Antiquariate. Diese, die so ein bisschen anmuten wie das aus den Wilsberg-Krimis. Und ich suche zielgerichtet die Lyrikecke auf. (Es ist fast immer eine Ecke - oder an an einer Abseite, um der Lyrik ihren Platz zu zuweisen). Ich mag das Stöbern, die Möglichkeit, mir Unbekanntes zu entdecken. Anthologien und Klassiker in dieser Ecke interessieren mich nicht sonders. Es sind eher die schmalen Bändchen, die sich dort finden lassen, oft schon zerlesen, und meist für ein kleines Salär zu haben. Und oft stehen Namen auf dem Einband, die mir vorher kein Begriff waren.
Das heute vorgestellte Fundstück ist „In tiefer Trauer“, Reihe Merlin Debut im Merlin Verlag Hamburg, 1965 von Heike Doutiné. „Die Verfasserin der in dem vorliegenden Band enthaltenen Lyrik und Prosa wird mit dieser Publikation erstmals der literarisch interessierten Öffentlichkeit vorgestellt.“, heißt es im Nachwort. Diesem ersten Gedichtband der 1945 geborenen Autorin sollten weitere folgen: Herz auf Lanze , Rosengedichte und andere Gesänge. Auch Romane und Kurzgeschichten sind im Portfolio. 1972/73 erhielt sie ein Villa-Massimo-Stipendium der Deutschen Akademie Rom.. Weiterhin wurde sie als Gastprofessor an die University of Southern California berufen und erhielt ein Stipendium der Ford-Foundation.
Werke von ihr wurden ins Französische, Englische, Spanische, Polnische, Niederländische und Serbokroatische übersetzt. Gedichte erschienen in englischer Übersetzung von Gisèle Frohlinde-Meyer 1972 in „America's Oldest Poetry Journal“. Heute lebt die Dichterin in Hamburg und London.
Doch zurück zum Debut der damals 20jährigen. Einiges ist noch unbeholfen und einiges mir schwer zugänglich, und vielleicht hätte ich nach kurzem Überfliegen das Büchlein zurückgestellt, wenn ich nicht solche Zeilen darin gefunden hätte:
Was bleibt vom Abend? / Ein Gehen zur Nacht / und ein Kopf voll Wind. / Jede Stunde eine Fahne, / die sich im Winde dreht. / Jeder Mantel ein Filter, / durch den der Abend weht. (aus Sonnenuntergang)
Gebt mir Ideen, / mit ihnen will ich spielen. / Ein Marktplatz ist mein Herz, verlost sie dort. ( aus Achtzehn)
Wie will ich sein? / Grün wie das Gras / und wie die Kinder, / nichts als wachsen. /Was will ich sein? / Ein goldener Ikarus / mit Sonnensegeln aus Forsythien. (aus Unter die Füße werfen sich schon - )
So etwas bleibt haften, und trägt. Ein Gedicht gefiel mir besonders, und nicht nur mir, sondern auch meiner Liebsten, die es mir vorlas:
(V)erwachsen werden
Ich bin ein Kind,
das Sandburgen baut am Meer.
Eine Welle weiter:
Ein Kind, das Sandburgen baut,
die ertrinken.
Ich war ein Kind.
- Mit wasserdichten Augen
nie mehr ein Leben am Meer. -
An meinem Spielzeugbahnhof
bestieg ich den Zug
und fuhr landeinwärts
in die gefährliche Mitte.
Dort trieb man es miteinander;
ich aber wurde geplündert,
durch geschüttelt,
bis mir die Worte aus dem Munde fielen
und -
ich verriet meine Träume - - -
Allein dieses eine lohnt den Kauf allemal. Und sollte anregen zum weiteren Befassen mit der Autorin.
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