Herbst
Den Lenz, den haben wir alle verträumt.
Wir spielten im Garten Erwachsensein.
Wir waren jung und es kann wohl sein,
Dass wir damals das Glück versäumt.
An den Sommer denk ich nicht gern zurück,
Wir suchten Liebe und fanden Leid.
Im Schatten der Bäume zur Abendzeit
Begruben wir unser Glück.
Nun, da die hohen Bäume entlaubt
Schweifen die Blicke himmelwärts,
Und wir schenken dem Herbst unser wissendes Herz,
Das wieder an Liebe glaubt.
Herbstgedanken
Nun werden bald die ersten Blätter fallen,
Pelzmäntel tauchen schon vereinzelt auf.
Und an Straßenecken bieten alte Weiber
Des Herbstes bunte Blumen zum Verkauf.
Es regnet oft, und graue Nebel senken
Sich feucht und schwer aufs reife Land -
Die Schwalben fliehn , - die Menschen kehren wieder
Zur Stadt zurück, erholt und braungebrannt. . .
Dann wird es kalt, die Tage werden kürzer,
Man zündet im Büro die Lampen an
Und schreibt und schreibt - Frost trübt die Fensterscheiben,
Eh´ man sich versieht, ist das Jahr vertan.
Oktober
Letzte Sonnentage
Blühn wie ein kurzer Traum
Über der schimmernden Halde,
Über dem welkenden Walde,
. . . Blätter gleiten vom Baum.
Breiten goldene Matten
Über die weißen Alleen,
Wo wir mit sommersatten
Schritten in frühe Schatten
Herbstkühler Nächte gehen.
Lilli Recht, aus: Ziellose Wege, Druck von Heinrich Mercy Sohn, Prag 1936
Lilli Recht wurde am 17. Februar 1900 in Hodolany / Hodolein bei Olomouc / Olmütz geboren.1938 emigrierte sie gemeinsam mit ihrer Schwester nach Italien 1926 zog sie nach Prag, wo sie ihre Gedichte und Texte im Prager Tagblatt veröffentlichte. 1936 erschien ihr einziger Gedichtband Ziellose Wege. Lilli floh gemeinsam mit ihrer Schwester vor der nationalsozialistischen Besetzung nach Italien, 1941 wurde sie interniert. Nach ihrer Freilassung 1944 lebte sie in Neapel und später in Potenza. Weitere Lebensdaten sind nicht bekannt.
Das Foto zeigt Lilli Recht mit ihrer Schwester Gertrude
Das Bild ist von Eugene Galien-Laloue (1854 - 1941)
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