Sonntag, 1. Oktober 2023

Victor Wittner: Herbstliches Lied

 



Herbstliches Lied

Diese Stunde kommt erwartet:
Sommer, durchliebt zum Herbst zu zweit,
Neigt doppelt und schwer. Die geistliche Zeit
Feiert, noch grün umgartet.

Geliebt einander, jetzt sterben leicht
Die wilden Tiere. Zum Erinnern
Blüht, die Lust der Welt im Innern,
Letzte Rose neben müdem Zweig.

Liebe diese beiden! Blume
Und Frucht, am dunklen End'.
Sanftmütige Freundin, welche sie kennt,
Belaubt noch den Tod, geht ein zum Ruhme.

Victor Wittner, aus: „Der Sprung auf die Straße - Gedichte“, Verlag Die Schmiede, Berlin 1924

Wittner, Victor, geboren am 1. 3. 1896 in Herta, Rumänien, gestorben am 27. 10. 1949 in Wien, Schriftsteller und Lyriker.

Wittner arbeitete ab 1928 als Redakteur und von Januar 1930 bis Mai 1933 als Chefredakteur der in Berlin herausgegebenen Kulturzeitschrift „Der Querschnitt. Magazin der aktuellen Ewigkeitswerte“. Nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten 1933 ging er zurück nach Wien, wo er aus Armut häufig die Wohnung wechseln musste. Nach dem Anschluss Österreichs 1938 floh er nach Prag und dann in die Schweiz. Er wurde zunächst interniert und lebte dann in Flüchtlingsunterkünften in Zürich. Er erhielt in der Schweiz erst 1945 eine Arbeitserlaubnis. Ab 1947 hielt er sich zeitweise auch wieder in Wien auf.

Das Bild ist von Ernest Biéler (1863 – 1948)

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