Die Gräber
Wo die Eltern liegen,
Immer noch allein,
Werden ihre Kinder
Nicht begraben sein.
Wie der Krieg sie teilte,
Sterben sie entfernt,
Jedes in der Sprache,
Die es spät gelernt.
Was sie nie vergessen,
Geht mit ihnen heim:
Hier ein Wiegenlied
Und dort ein alter Reim.
Aus: Berthold Viertel: Der Lebenslauf. Stimmen der Zeit. In: B.V.: Das graue Tuch. Gedichte. Studienausgabe Band 3. Hg. von Konstantin Kaiser. Mit einem Nachwort von Eberhard Frey. Wien: Verlag für Gesellschaftskritik 1994
Das Unheil
Was wissen die noch nicht Getroffenen
von der Treffsicherheit
der schwarzgefiederten
Pfeile des Unheils
mit der vergifteten Spitze!
Wem niemals
das Gift ins Innere des Blutes getreten,
der hat ein anderes Herz,
gehört einer anderen Welt und Menschheit an.
Kein Verstehen
zwischen jenen und diesen.
Und nur zum Scheine
haben sie gemeinsam
das Menschengesicht
und die Sprache der Menschen.
Aus: Berthold Viertel: Schlaflosigkeit. Gedichte 1939 bis 1945. In: B.V.: Das graue Tuch. Gedichte. Studienausgabe Band 3. Hg. von Konstantin Kaiser. Mit einem Nachwort von Eberhard Frey. Wien: Verlag für Gesellschaftskritik 1994, Erstdruck: Die Schau, Wien, Nr. 12, Juni 1953
Berthold Viertel wurde am 28. Juni 1885 in Wien geboren und starb am 24. September 1953 ebendort, Schriftsteller, Dramaturg, Essayist, Übersetzer und Film- und Theaterregisseur, der in Deutschland, den USA und Großbritannien wirkte.
Unter anderem wurde er in den Jahren 1910 / 1911 Mitarbeiter bei Der Fackel von Karl Kraus. März 1910 erschien dort sein erstes Gedicht.
Das Foto zeigt ihn im Jahre 1906
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