Man sollte etwas früher schlafen gehen…
Und anstatt dessen wird es immer später.
Sehr viele gibt es, die das nicht verstehen,
Doch mancher sagt mir auch: ja, das versteht er.
Man möcht nicht mehr; man trödelt nur so rum.
Man sollte endlich seine Briefe schreiben.
Doch plötzlich ist die Zeit dann wieder um;
Man hat nicht Lust; man läßt es wieder bleiben.
Die tiefe Nacht sieht sich vertraulich an;
Man raucht schon wieder eine Zigarette.
Man hat ja schließlich seine Pflicht getan,
Was tut man jetzt? – Nichts mehr, man geht zu Bette.
Man tut es nicht; man fühlt sich so privat…
Und eigentlich wird man jetzt richtig munter.
Die Tage sind doch manchmal desperat.
Man ist auch mit den Nerven runter.
Man hört die Leute oben geh’n zur Ruh.
(Die Frau mit ihrem Tritt bringt mich zum Rasen!)
Was noch? Ja, richtig, ist der Gashahn zu?
Und in die Küche mit den Blumen – Vasen!
Ist’s Licht aus? Und die Türe zugemacht? –
Man muss weiß Gott, nach allem selber sehen…
Worüber habe ich heute so gelacht?
Ich weiß nicht mehr; – man sollte schlafen gehen.
Lessie Sachs (1897 - 1942) Aus: Tag- und Nachtgedichte von Lessie Sachs Ausgewählt und eingeleitet von Heinrich Mann
New York City 1944
Printed in U.S.A. Zeidler Press (Josef Wagner)
Das Bild ist von Felix Vallotton (1865 - 1925)
Ich möchte in diesem Blog Werke von Dichterinnen und Dichtern einstellen, welche mir bei meinen Streifzügen durch die Welt der Poesie begegnet sind, und die mir gefielen. So wird dies ein ganz persönliches Kompendium, von dem ich mir dennoch erhoffe, dass es auch anderen Menschen Freude macht. Also, viel Spaß beim Stöbern wünscht Dingefinder Jörg Krüger.
Montag, 18. September 2023
Lessie Sachs: Man sollte schlafen gehen
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen