Trutzlied des Gefangenen
(1892 / 93)
Den Leib mögt wohl ihr bannen,
Indem ihr ihn bewacht;
Mein Geist schwebt doch von dannen
Und spottet eurer Macht.
Ihn hemmt nicht Schloss noch Riegel,
Ihn schreckt kein eisern´ Tor,
Hoch über Tal und Hügel
Schwingt er sich keck empor.
Bleibt mir zu Tageszeiten
Auch nur ein enger Raum,
In unbegrenzte Weiten
Führt nachts mich doch mein Traum.
Fritz Oerter, aus: Stimmen der Freiheit, Hrsg. von Konrad Geißwanger in Nürnberg 1914
Das Herz noch voll der grausen Hiobspost
lief ich verstört ins weite Feld;
ich hoffte still, zu finden linden Trost,
wo frisch im Lenzesschmuck stand die Welt.
Und wie ich streifte in verlorenen Sinnen,
geriet ein goldner Käfer arg in Nöten;
doch eh mir inne ward noch mein Beginnen,
hatt´ ich das arme Tierchen schon zertreten.
Ich ward zum Schicksal dieser Kreatur,
wie über mir vielleicht ein gleiches waltet.
Weh´ mir, wenn es, von Mitleid keine Spur
nach meinem Beispiel blind und grausam schaltet!
Wer schafft den freien Geist des Lebens nur,
der es harmonisch und bewusst gestaltet?
Fritz Oerter, aus seinem Tagebuch 12. 6. 1914 mit der Einleitung: „Das große Dampferunglück an der kanadischen Küste veranlasste mich zu folgendem Sonett.“
Fritz Oerter, aus: Tagebücher 1914 Auf der Seite Fürth Wiki als pdf
Fritz Oerter, geboren am 19. Februar 1869 in Straubing als Friedrich Oerter, gestorben am 20. September 1935 in Fürth, Lithograph, Schriftsteller und Buchhändler.
Zunächst trat Fritz Oerter im Jahr 1890 im Alter von 21 Jahren in die SPD ein. Gleichzeitig engagierte er sich für den Anarchismus und schmuggelte gemeinsam mit seinem Bruder Sepp Oerter Agitationsmaterial von den Niederlanden nach Deutschland. Beide Brüder werden im Dezember 1892 in Mainz wegen "aufrührerischer Reden" verhaftet. Fritz Oerter verstand sich als Verfechter der Anarcho-Syndikalistischen Bewegung und als geistiger Nachfolger Gustav Landauers, einem der wichtigsten Theoretiker und Aktivisten des Anarchismus in Deutschland um die Jahrhundertwende. Zur Zeit des erstens Weltkrieges wurde Fritz Oerter als "Anti-Kriegs-Aktivist" eingestuft und zu 15 Monaten Festungshaft verurteilt.
Seine kritische Haltung gegenüber dem Nationalsozialismus, die er stets auch in seinen Publikationen zum Ausdruck brachte, und seine Kontakte zum demokratischen Widerstand gegen Nationalismus und Großkapital führte immer wieder zu Verhaftungen. Zuletzt wurde Oerter im Alter von 66 Jahren im September 1935 verhaftet und durch die SA verhört. Während der einwöchigen Haft wird Oerter offensichtlich schlecht behandelt, so dass er geschwächt und gebrochen die Haft verlässt. Kurze Zeit später verstirbt Oerter am 20. September 1935 an den Folgen einer Lungenentzündung im Krankenhaus, vermutlich infolge der Misshandlungen durch die SA und der Haftbedingungen. (Wiki)
Das Foto zeigt Fritz Oertler um 1930, von einem unbekannten Fotografen, veröffentlicht auf fuerthwiki.de
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