Mittwoch, 27. September 2023

Gina Gärtler: Über mir die Bucheckernsonne

 



Über mir die Bucheckernsonne

Herströmt, hinströmt freudige Botschaft,
es rauscht, rauscht.
Trunken vom Saft, Gefährten,
lasst uns zusammentönen.

Denn der Saft steigt.
Unter der glatten Rinde aufwärts
machtvoller, gebärfreudiger Zug,
der Herrin zu, die leuchtet!

Ich fühle die Zweige voll kantiger Früchte,
die reifen dem Fall nach.
Aufschlagen taube, schwärzliche Hüllen
unten zwischen gelblichen
samenspritzenden Gräsern.
Ich lausche dem vergeblichen Laut,
und sauge den Duftreiz modernder Blätter
und dumpfer Erde.

Mein grünes Blut lebt, regt sich,
tausendfach gespalten vom Lichtstrahl,
fließts kräftiger,
denn dicht daneben gilbt Verwesung.

Zuwerfen
dir, Weibliches, platzender Früchte
laut unter dem Widerhall der Luft.
Glücke er einmal,
der vielfältige Versuch!
Dann Schlaf. . .

Gina Gärtler, aus: Baumlieder - Der Morgen, Zweimonatschrift der Juden in Deutschland, herausgegeben von Julius Goldstein, Philo-Verlag, Berlin, Heft 7, Oktober 1936

Gina Gärtler, geboren 1910, weitere Lebensdaten mir unbekannt, 1935 schrieb sie an der Universität Heidelberg für die philosophische Fakultät die Dissertation „Lily Braun, eine Publizistin des Gefühls“.

Das Bild ist von Theodore Clement Steele (1847 - 1926)

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