Aus: Lieder des Troubadours
V.
Ob du auch fern - ich kann dich dennoch sehen,
Ich höre deiner Stimme weichen Ton.
Nicht einsam muß ich durch die Fluren gehen -
Du bliebst mir ja und bist mir nicht entflohn.
Ich halte dich, wie auf des Teiches Spiegel
Die Flut den Zweig der Rosenstaude hält,
Ich fasse dich, wie an des Liedes Flügel
Der Dichter fesselt seine Märchenwelt.
Ich fühle dich wie milder Sterne Scheinen;
Und schließ' ich Nachts den trugverwirrten Blick,
So taucht aus dunklen, träumerischen Hainen
Allüberall dein Abbild mir zurück!
VII.
Gleichviel, ob für Minuten, ob für Stunden,
Für eines Monats langes Gaukelspiel;
Hat man nur einmal süßes Glück empfunden,
So ward erfüllt des Daseins bestes Ziel!
Wir sind ja nicht zum Leiden nur geboren,
Wie ernsten Mundes eifert der Zelot;
Auch Freudenkränze winden uns die Horen,
Und süßes Leben athmet vor dem Tod!
Nur dem verdüstert sich das Bild der Erde,
Dem keine Blume wächst auf schöner Flur,
Der nie mit einem schöpferstarken "Werde"
Zum Blühen zwang die duldende Natur.
Denn wenn auch kürzer, als der Rose Prangen,
Das flücht'ge Glück an dir vorbeigeschwebt -
Hat es nur einmal liebend dich umfangen,
So weißt du doch, weswegen du gelebt!
Aus: Gedichte von Emil Roland (Pseudonym von Emmi Lewald)
Zweite Auflage
Oldenburg und Leipzig
Schulzesche Hof-Buchhandlung und
Hof-Buchdruckerei A. Schwartz 1894
Emilie (Emmi) Lewald, geboren am 5, Dezember 1866 in Oldenburg, gestorben in Apolda 29. September 1946, Schriftstellerin und Frauenrechtlerin.
Das Bild ist von Melchior Lechter (1865 - 1937)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen