Schlafliedchen
Im Goldgestäng deiner Wiege sitzen
Silberne Vögel,
Pfeifen:
Lullezu, der Ruhrufer,
Rollefort, die Holdtolle,
Schneileis, der Reihreif.
Alle Dächer blendet Mond,
Engel werfen sich Sternchen zu,
Blütenschlachten.
Klinglicht, singt der Wind,
Tragsanft, sagt der Bach,
Blauen Traum, rauscht der Baum.
Zehn gehn im Klee,
Sandmännchen sinds, kommen
Segen säen.
Wo sie gesät, da schießt um dein Bett
Baldachinbusch Schlummer bald,
Wunderwald Schlaf.
Glockenblumen pfadlang läuten
Hummeln herbei, Bläulinge,
Den weißen Zaunkönig zärtlich zu dir.
Hans Schiebelhuth
Der liebe Gott und das Kind
Über dem Weinen schlief es ein.
Nun träumts – nun lächelts unter Träumen.
Und ist ein Schweigen in allen Räumen
und hoch am Himmel Lichterschein.
Über dem Weinen schlief es ein.
Und über seinen kleinen Nöten
hats ganz vergessen, zu Gott zu beten.
. . . Und hoch am Himmel Lichterschein. . .
Über dem Weinen schlief es ein.
Nun träumts – nun lächelts unter Träumen.
Und Gott lässt Schweigen in allen Räumen
und hoch am Himmel Lichterschein.
Heinrich Lautensack
Hans Schiebelhuth, geboren am 11. Oktober 1895 in Darmstadt; gestorben am 14. Januar 1944 in East Hampton, New York, USA, expressionistischer Schriftsteller und Dichter.
Er schrieb für Zeitschriften wie Der Weg und Münchner Blätter für Dichtung und Graphik. Von Heft 4 bis 11 war Schiebelhuth Mitherausgeber der wichtigen hannoverschen Zeitschrift Der Zweemann (1919/1920). Er war als Mitglied des Henndorfer Kreises eng befreundet mit Carl Zuckmayer und hatte auch Verbindungen zu dem Kreis um den Dichter Stefan George. Mit Carlo Mierendorff, Theodor Haubach, Fritz Usinger arbeitete Schiebelhuth in Darmstadt an der Zeitschrift Das Tribunal. Hessische radikale Blätter mit, der Fortsetzung der Zeitschrift Die Dachstube; Das Tribunal erschien von 1919 bis 1921, herausgegeben von Carlo Mierendorff im Verlag Die Dachstube. Mit seiner kongenialen Übersetzung der Romane Schau heimwärts, Engel! und Vom Tod zum Morgen von Thomas Wolfe wurde Schiebelhuth so bekannt, dass darüber sein eigenständiges dichterisches Werk vielfach unbeachtet blieb.
Im Herbst 1923 heiratete er die reiche US-Amerikanerin Alice Trew Williams. Gemeinsam mit seiner Frau fuhr Schiebelhuth im Mai 1937 in die Vereinigten Staaten, um sich in einer New Yorker Fachklinik wegen seines schweren Herzleidens behandeln zu lassen. Er kehrte nicht nach Deutschland zurück, blieb jedoch in brieflicher Verbindung mit Fritz Usinger, Herbert Nette, Ernst Kreuder und anderen deutschen Freunden. Mit Carl Zuckmayer traf Schiebelhuth in jenen Jahren oft zusammen.
Schiebelhuth starb in seinem ländlichen Anwesen in East Hampton auf Long Island.
Schlaflied aus: Schalmei vom Schelmenried. 1933
Heinrich Lautensack, geboren am 15. Juli 1881 in Vilshofen; gestorben am 10. Januar 1919 in Eberswalde, aus der Sammlung Die Documente der Liebesraserei - Die gesammelten Gedichte, 1910
Unter dem Einfluss der Schwabinger Szene brach er 1901 sein Mathematikstudium ab und schloss sich dem Kabarett Die Elf Scharfrichter an. Hier lernte er Frank Wedekind kennen, der ihn zu eigenen lyrischen und dramatischen Versuchen ermunterte. 1907 ging er nach Berlin, wo er als freier Schriftsteller lebte. Er wirkte bei den Zeitschriften Die Aktion und Das neue Pathos mit, übersetzte aus dem Englischen und Französischen, bearbeitete Stücke anderer Autoren für die Bühne und nahm journalistische Gelegenheitsaufträge an. Der Tod des zeitlebens von ihm verehrten Frank Wedekind 1918 wurde zum Auslöser einer Geisteskrankheit. Bei Wedekinds Beerdigung auf dem Münchner Waldfriedhof fiel er den Trauernden auf, als er laut schreiend und gestikulierend Filmaufnahmen der Beerdigung machen ließ. Er starb ein Jahr später in der Nervenheilanstalt Eberswalde.
Das Bild ist von Albert Anker (1831 - 1910)
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