Weihnachtsvorbereitung einer Junggesellin
Am 24. Dezember
Will ich zeitig schlafen geh n.
Ich bin allein und arm und klein,
Es schenkt mir keiner was,
Es lädt mich niemand ein.
Soll ich verlassen
Im leeren Kaffeehaus sitzen
Bei schalem Kaffee
Und längst gelesenen Witzen?
Ich pumpe mir ´nen Kriminalroman
Und pünktlich sieben Uhr kriech ich ins Bett
Und fang zu lesen an.
Soll ich mir selbst ein Bäumchen kaufen
Mit allem drum und dran?
Was nützt es denn:
Ich denk an Dich und das vergang´ne Jahr,
Und wie es damals war,
Und fang zu weinen an. . .
Ach was, lass nur dies 34 nur zu Ende geh n:
Silvester, das ist klar,
Silvester will ich tanzen geh n,
Silvester soll die Welt mich seh n,
Silvester geh ich richtig aus
Und suche mir für 35
Von allen Männern
Den Allernettesten aus!
Lili Grün, aus: Prager Montagsblatt 1934
Lili Grün wurde am 3. Februar 1904 als Elisabeth Grün in Wien geboren. Nach dem Tod ihrer Eltern ging sie Ende der 1920er Jahre nach Berlin, wo sie 1931 zusammen mit Freundinnen und Freunden aus der Künstlerszene ein literarisch-politisches Kabarett eröffnete. Zurück in Wien verarbeitete sie ihre Berlin-Erlebnisse in ihrem Roman "Alles ist Jazz", der erstmals 1933 unter dem Titel "Herz über Bord" im Paul Zsolnay Verlag erschienen ist. Mit der nationalsozialistischen Okkupation Österreichs im März 1938 hatte Lili Grün als jüdische Schriftstellerin schlagartig keine Möglichkeit mehr zu publizieren. Verarmt und lungenkrank blieb ihr die Emigration ins rettende Ausland verwehrt. 1942 wurde sie aus Wien deportiert und am 1. Juni 1942 mit anderen Opfern, darunter die Dichterin Alma Johanna Koenig, im weißrussischen Vernichtungslager Maly Trostinec ermordet.
Das Foto der Künstlerin aus: Der Tag vom 6. 12. 1936
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