Impression
In grauen Schleiern, wie von Regen feucht,
Schleicht Tag um Tag verekelt durch die Straßen,
Und meine Seele (diese edle, wie mir deucht)
Verkriecht sich scheu und zittrig vor den nassen
Gespenstern auf den grauverhängten Gassen.
Sieh, ich, ein Punkt im grauen Meer des Tags,
Trag meinen Ekel pflichtgehorsam durch die Stunden,
Trag ihn durch feuchte Menschenmassen stracks
Zur Tram, ein Seelchen im Gewühl, der Zeit entbunden,
Und flüchtig auf der Sohle der Sekunden.
Ich bin wie ein Irrlicht, das durch Nebel blinkt,
Und schweigender Akkord, der hastig im brutalen
Konzert der Straßen in sich selbst versinkt. -
Ich bin wie eingesperrt in dem fatalen
Verkehrswirrwarr fortschrittlicher Vandalen.
Und schemenhaft treibts mich von Welt zu Welt,
Denn eine große Stadt hat vieler Welten Wesen;
Ich bin ein Wächter, am Perron bestellt,
Um aus den Wüsten Menschen zu erlesen,
Damit es hell in mir, wie es gewesen.
Und sieh! wie eine blonde Sonne, leicht und schlank,
Steht da ein Mädchen vor mir, hell umglitten
Von meinem Blick. Das Toben wird Gesang,
Und wie ein Tag, der aus der Nacht geschritten,
Steht sie im hellen Licht und ich inmitten.
Erich Oesterheld, aus: Die Aktion - Wochenschrift für Politik, Literatur, Kunst; Sondernummer „Lyrische Anthologie“, 1913
Erich Oesterheld, geboren am 6- Januar 1883 in Berlin, gestorben am 8. November 1920 ebendort, war Schriftsteller, Übersetzer und Verleger. Unter anderem übersetzte er Charles Baudelaire.
Das Bild ist von Alexandra Exter (1882 - 1949)
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