Sonntag, 26. November 2023

Joseph von Eichendorff: Die blaue Blume / Mir träumt´. . ., Arthur Silbergleit: Eichendorff

 



Die blaue Blume

Ich suche die blaue Blume,
Ich suche und finde sie nie,
Mir träumt, dass in der Blume
Mein gutes Glück mir blüh.

Ich wandre mit meiner Harfe
Durch Länder, Städt und Au'n,
Ob nirgends in der Runde
Die blaue Blume zu schaun.

Ich wandre schon seit lange,
Hab lang gehofft, vertraut,
Doch ach, noch nirgends hab ich
Die blaue Blum geschaut.


Mir träumt´. . .


Mit träumt` ich ruhte wieder
Vor meines Vaters Haus
Und schaute fröhlich nieder
Ins alte Tal hinaus,

Die Luft mit linden Spielen
Ging durch das Frühlingslaub,
Und Blütenflocken fielen
Mit über Brust und Haupt.

Als ich erwacht, da schimmert
Der Mond am Waldesrand,
Im falben Scheine flimmert
Um mich ein fremdes Land,

Und wie ich ringsher sehe:
Die Flocken waren Eis,
Die Gegend war von Schnee,
Mein Haar vom Alter weiß.

Joseph von Eichendorff, geboren am 10. März 1788 auf Schloss Lubowitz bei Ratibor, Oberschlesien; gestorben am 26. November 1857 in Neisse, Oberschlesien.

„Eichendorff ist kein Dichter der Heimat, sondern des Heimwehs, nicht des erfüllten Augenblicks, sondern der Sehnsucht, nicht des Ankommens, sondern der Abfahrt“, Rüdiger Safranski, aus: Romantik. Eine deutsche Affäre. Fischer, München 2007


Eichendorff

Die traumtief schlafenden Wälder,
Vom Köhlervolk bewohnt,
Des Posthorns Märchenmelder,
Der uralt weise Mond,

Die Wolken, Wallfahrtsfrauen,
Ein Uhu auf schwarzem Schloß,
Ruinen im Abendgrauen,
Ein Kind, ein Elfensproß,

Waldbäche, die Sagen lallen,
Ein Fels, von Echsen umhuscht,
Glücktrunkene Nachtigallen,
Ein Mühlrad, schilfumbuscht,

Aufzitternde Winde und Moose,
Ein Reh an Franziskus Hand,
Der Hauchtraum einer Rose,
Novizen im Engelsgewand,

Kapellen, Kirchen und Klöster,
Ein Mönch vor Madonnas Bild,
Das Lächeln selig Erlöster,
Die Vaters Born gestillt,

Lenzstimmen längst verklungen,
Der Bienen Prozession
Nahn mit Erinnerungen
Bei deines Namens Ton.

Arthur Silbergleit, aus: Aurora – Ein romantischer Almanach, Jahresgabe der deutschen Eichendorff-Stiftung, Verlag „Der Oberschlesier“, Oppeln 1934

Arthur Silbergleit, geboren am 26. Mai 1881 in Gleiwitz in Oberschlesien; wurde am 13. März 1943 in das Konzentrationslager Auschwitz deportiert, wo er noch im gleichen Monat starb.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen