Vergänglichkeit
Geruch des Lorbeer bringt die Bitterkeit
der frühen Abende, die blass vergehen,
wie Rosen ihren Duft ins Dunkel hauchen.
Und im Gebüsch hält sich schon Herbst bereit
die ersten welken Blätter zu verwehen,
die mit den Wasservögeln abwärts tauchen.
Platanenrinde fällt mit dumpfen Ton
ins leichte Sommergras, das leise zittert,
Mohnkapseln schwanken auf dem dünnen Stiel.
Die Mauerschwalben flogen längst davon,
Und Fuchs und Wiesel haben schon gewittert,
die Spur des Wildes, das im Dickicht fiel.
Und unter Bäumen, schweigendem Verfall,
geh´n Liebende gelichtetere Pfade
und ihr Verlangen wandelt sich in Trauer.
Der Sanftheit Seufzer stirbt vor dem Verhall.
Im morschen Stamme schlummert die Dryade
und durch die Wipfel wehen kühle Schauer.
Dämmerung
Wenn sich Wipfel in die Wolken schmiegen,
sehnt die Erde sich der Nacht entgegen.
Ihre Boten - schnelle Schwalben - fliegen
zwitschern hell den süßen Abendsegen.
Lichtbeglänzte Wolken ziehn vorüber.
Abend kommt wie Wein geflossen.
Weißer Lilien Kelche scheinen trüber,
Wenn die Blüte letzten Glanz vergossen.
Aufgeblättert, auf entfärbten Weiher,
treibt des Lichts entseelte Farbenrose.
Fahle Dämm´rung spinnt den blauen Schleier
und erstickt den hingesunk´nen Tag im Moose.
Beide Gedichte: Marianne Dora Rein, aus: Typoskript, Brief an Jacob Picard, Leo Baeck Institute, New York Berlin; letzteres mit dem Zusatz: „Wenn ich zu mir selber ehrlich bin, dieses Gedicht mag ich nicht.
Abendlied
Der Abend trinkt die Welt wie Wein.
Sie trinkt davon und schlummert ein.
Mond überglänzt das letzte Rot,
So rund, wie ein frischbacken Brot.
Und durstgestillt und hungersatt
entschlafen Blüte, Baum und Blatt.
Handschriftliches Manuskript, Leo Baeck Institute, New York, Berlin
Marianne Dora Rein, geboren am 2. Januar 1911, war eine junge hoffnungsvolle jüdische Dichterin aus Würzburg. Am 27. November 1941 wurde Marianne Rein zusammen mit ihrer Mutter mit dem ersten aus Würzburg abgehenden Transport zusammen mit weiteren 200 Personen, darunter 40 Kindern und Jugendlichen, deportiert. Der Transport ging über Nürnberg nach Riga. Die Deportierten wurden, so eine Überlebende, in den eiskalten Wirtschaftsgebäuden des Jungfernhofes bei Riga untergebracht. Von dort gingen ab Februar 1942 Transporte ab, zuletzt am 26. März 1942 ein Transport mit ca. 1700 Menschen. Alle Abtransportierten wurden am gleichen Tag in einem Wald bei Riga erschossen. Von den im November 1941 aus Franken nach Riga Deportierten haben, soweit bekannt, zwei Personen überlebt.
Das Foto zeigt die Dichterin circa September 1940, Jacob Picard Collection, Leo Baeck Institute, New York, Berlin
Das Leo Baeck Institut (LBI) ist eine unabhängige Forschungs- und Dokumentationseinrichtung für die Geschichte und Kultur des deutschsprachigen Judentums mit drei Teilinstituten in Jerusalem, London und New York City mit Zweigstelle in Berlin. Es wurde 1955 von Hannah Arendt, Martin Buber, Siegfried Moses, Gershom Sholem, Ernst Simon und Robert Weltsch gegründet und setzt sich zum Ziel, deutsch-jüdische Geschichte und Kultur wissenschaftlich zu erforschen und ihr Erbe zu bewahren.
Das Foto zeigt die Dichterin circa September 1940, Jacob Picard Collection, Leo Baeck Institute, New York, Berlin
Das Leo Baeck Institut (LBI) ist eine unabhängige Forschungs- und Dokumentationseinrichtung für die Geschichte und Kultur des deutschsprachigen Judentums mit drei Teilinstituten in Jerusalem, London und New York City mit Zweigstelle in Berlin. Es wurde 1955 von Hannah Arendt, Martin Buber, Siegfried Moses, Gershom Sholem, Ernst Simon und Robert Weltsch gegründet und setzt sich zum Ziel, deutsch-jüdische Geschichte und Kultur wissenschaftlich zu erforschen und ihr Erbe zu bewahren.
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