Mittwoch, 8. November 2023

Hilda Bergmann: Trüber Tag

 



Trüber Tag

Voll von Liedern ungesungen
ist die Welt und atmet schwer.
Nebel hält die Niederungen
eingehüllt, ein graues Meer.
Und die Erde ohne Lichter
und der Himmel wie ein Richter
kalt und streng und gnadenleer.

Aber aus der Trübnis leise
flattern Töne, kommt ein Lied;
eine Lerche, welche Kreise,
unablässig Kreise zieht.
Und wie sie mit Lobgesängen
an den düstern Himmel stößt,
ist die Stummheit schon zu Klängen
und die Schwermut in der engen
Menschenbrust zum Glück erlöst.

Hilda Bergmann, aus: Am häuslichen Herd. Schweizerische illustrierte Monatsschrift, 50. Jahrgang (1946 - 1947)

Hilda Bergmann, geboren am 9. November 1878 in Prachatitz, Böhmen; gestorben am 22. November 1947 in Schweden), österreichische Schriftstellerin und Übersetzerin.

Nachdem die Familie im Jahre 1897 nach Wien umgezogen war, schloss sie dort 1898 eine Ausbildung als Volksschullehrerin ab, wo sie an verschiedenen Schulen arbeitete. 1908 schied sie aus Gesundheitsgründen aus dem Schuldienst aus. Im selben Jahr heiratete sie den Witwer Alfred Kohner. Dieser brachte einen Sohn namens Hans in die Ehe. Da Alfred Kohner sich als Jude nach dem Anschluss Österreichs an das nationalsozialistische Deutsche Reich 1938 in Gefahr befand, wanderte die Familie nach Åstorp in Schweden aus. Eine Rückkehr in ihre Heimatstadt Prachatitz war ihr wegen der Kriegs- und Nachkriegsereignisse verwehrt. Im Exil in Schweden starb Hilda Bergmann am 22. November 1947.

Das Bild ist von Caspar David Friedrich (1774 - 1840)

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