Donnerstag, 13. Juli 2023

Friedrich Glauser: Sommer

 



Sommer

Der Berg ist schläfrig von dem langen Sonnenbad
Und niemand hat die Wolkenherde auf den
Sommerhimmel hingetrieben;
Sie war zu müd, und schläft hinter den sieben Horizonten.
Auf der weißen Straße trommelt fern ein Rad.
Jetzt summt ein Mückenschwarm den Nachtchoral,
Ein kleiner Wind ist aufgewacht und läuft durchs Tal
Schüttelt die Linde, die vergessen hat, Parfum zu kaufen;
Dann spielen seine Kinderhände mit Kartoffelstauden
Und zerren an dem weißen Bart von einem Baum.
Der aber scheint zu lächeln, wie ein guter, alter Herr
im Traum.

Friedrich Glauser, aus: Pfützen schreien laut ihr Licht, Gesammelte Gedichte, Nimbus Verlag, Wädenswil 2008

Friedrich Glauser, geboren am 4. 2. 1896 in Wien, gestorben am 8. 12. 1938 in Nervi bei Genua. Sein Leben war geprägt von Drogenabhängigkeit und Internierungen in psychiatrischen Anstalten. Trotzdem erlangte er mit seinen Erzählungen und Feuilletons, vor allem jedoch mit seinen fünf Wachtmeister-Studer-Romanen, literarischen Ruhm.

Das Bild ist von Marianne von Werefkin (1860 - 1938)

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