Sonntag, 16. Juli 2023

Robert Flinker: Ferner Berge blauer Glanz

 



Ferner Berge blauer Glanz

Ferner Berge blauer Glanz,
silberblanker Sonnenschein,
brauner Wälder schlanker Kranz,
schließen mich in Wunder ein.

Meine Seele gleicht dem Wind,
gleicht der Wolken Flug und Spiel:
jene blauen Berge sind
ewig ihres Weges Ziel.

Robert Flinker, aus: Ferner Berge blauer Glanz, Aachen, Rimbaud Verlag 2021

Robert Flinker war Arzt, Schriftsteller und Essayist. Er wurde am 16. Juli 1906 in Wischnitz (ca. 60 km westlich von Czernowitz) in der Bukowina geboren, gestorben ist er am 15. Juli 1945 in Bukarest.

„Aber daß ich hier sitze und mit Ihnen spreche, ist ein Wunder, ja vielleicht ist das sogar das größte von allen. Einmal gab es die Sterne, gab es Tag und Nacht, Sommer und Winter – und ich war nicht da und konnte sie nicht sehen. Dann Sommer und Winter – und ich war nicht da und konnte sie nicht sehen. Dann wurde ich, atmete, schlief und wachte, sah die Sonne und den Mond, fühlte Wärme und Kälte, wußte, was Liebe ist und Haß. Heute kann ich denken und träumen, kann Lust empfinden und Schmerz, kann sprechen oder schweigen. Und einmal wird das zu Ende sein, mein Körper wird noch da sein, doch ich werde nichts mehr wissen. Woher bin ich gekommen, wohin werde ich gehen? Niemand weiß es – es ist ein Wunder. Die Sterne aber werden weiter ihre Bahn gehen und die Sonne weiter in goldenem Licht erstrahlen. Wird auch das einmal ein Ende haben? Niemand weiß es, alles ist Wunder und Geheimnis.“ Aus: Der Sturz, Roman. Bukarest: Kriterion-Verlag 1970 (Neuauflage Aachen: Rimbaud-Verlag 2013)

Das Bild ist von Ferdinand Hodler (1853 - 1918)

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