Sonntag, 23. Juli 2023

Reinhard Sorge: Ein flüchtig Weilen / Wiedersehen / Er blickt mich an am Hang. . .

 



Ein flüchtig Weilen

Ein flüchtig Weilen ist hier Los
(Und ein geringes schließt sich an);
Wir sind in einem dunklen Schoß,
Und weiße Flamme rühret dran.
Wir blicken alle suchend um.
Wir langen an durch dunkle Räume,
Wir träumen unsichtbare Träume,
Und unsre Lieder werden stumm.


Wiedersehen

Ich find dich wieder, find dich wieder,
Und alle Liebe bringst du mit,
Wo du nur gehst, entstehen Lieder,
Und Lieder, Lieder bringt dein Schritt.
Wo du nur trittst steh ich versunken
Von Liebes-Überherrlichkeit;
Ein Becher, der nie ausgetrunken,
Ein Licht, ein ewig Hochzeitskleid.


Er blickt mich an am Hang. . .

Er blickt mich an am Hang,
Aus blühenden Bäumen,
Auf stillem Morgengang,
In meinen Träumen.
Er schreitet vor mir hin
Durch Laub und Stämme,
Er trifft auf Rosmarin,
Auf Wogenkämme.

Reinhard Sorge, aus: Nachgelassene Gedichte, Vier Quellen Verlag, Leipzig 1925

Reinhard (Johannes) Sorge, geboren am 29. Januar 1892 in Rixdorf, heute Berlin-Neukölln, war ein deutscher Schriftsteller. 1912 wurde sein Theaterstück „Bettler“ veröffentlicht, welches als das erste expressionistische Drama gilt. Die Uraufführung war allerdings erst nach seinem Tod, 1917.

1913 heiratete er. Auf der Hochzeitsreise nach Rom 1914 konvertierte das junge Paar zum Katholizismus, er nannte sich fortan Reinhard Johannes Sorge. Er siedelt mit seiner Frau in die Schweiz über, er möchte jetzt nur noch „Christi Griffel“ sein und schreibt religiöse Weihespiele und religiöse Epen. Bei Kriegsausbruch August 194 meldet er sich als Kriegsfreiwilliger, er wird jedoch zurückgestellt. Als er 1915 den Entschluss fasst, Priester zu werden, wird er doch noch zum Militär einberufen. Während der Somme-Schlacht 1916 wird er schwer verwundet und stirbt kurze Zeit später, am 20. Juli 1916.

Das Bild ist von John Atkinson Grimshaw (1863 - 1893)

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