Verzweiflung
Ich
lache ja, bin lustig wie die andern!
Nur
dann und wann
Schaut
die Verzweiflung mich aus einem Winkel
Der
Seele an.
Dann
schleiche ich mit jäh erblaßten Lippen
Mich
still hinaus,
Reiß
mir das bunte Narrenkleid vom Leibe
Und
weine mich aus.
* * *
Ich
sah einen Adler sich wiegen
Hoch oben im leuchtenden Blau,
Er
schaute aus ewigen Fernen
Herab auf mich einsame Frau.
Es
standen so träumend die Felder,
So lockend die Berge umher,
Da
flog meine Sehnsucht zum Adler,
Zog weitere Kreise als er.
Stille
Zeit
Die Tage rinnen leise hin…
Ein jeder bringt ein
liebes Glück
Und eine liebe Sorge mit,
Und schau ich so den
Weg zurück,
Den ich mit dir gegangen bin,
Da will es mir fast
bange werden
Um so viel Seligkeit auf Erden.
Anna Ritter, geborene Nuhn, geboren am 23. Februar 1865 in Coburg; gestorben an 31. Oktober 1921 in Marburg. Ihr bekanntestes Gedicht ist wohl „Vom Christkind" - Denkt euch, ich habe das Christkind gesehen! / Es kam aus dem Walde, das Mützchen voll Schnee. . . .
Das Bild zeigt Anna Ritter, veröffentlicht in Die Gartenlaube 1899
An Anna Ritter
Die
Sage singt, dass einst ein hohes Weib
Mit flüchtgem Schritt
berührt die rauhe Erde,
Ein Sehnsuchtskind von wunderschönem
Leib,
Mit Märchenaugen, leidender Geberde.
Sie sang so
voll, wie nie zuvor die Welt
Von Frauenlippen hörte hohe
Lieder.
Doch war für dies ihr eine Pflicht gestellt:
Für
irdische Liebe keine Liebe wieder!
Nur reine Freundschaft. Nur
ein heiliger Bund
Der Herzen, - bis gelöst die eigne Seele
Von
allem Staub, damit sich Herz und Mund
Und Melodie den Seligen
vermähle.
So hat auch dich die Gottheit wach geküsst
Zur
Priesterin der Schönheit ... Süsse Töne
Sangst du der Welt.
Dass sie dafür dich grüsst,
Sei ihr kein Dank, - kein Fallstrick
deiner Schöne!
Frei schreite du durch allen Glast und
Glanz,
Mit leichten Schritten, fest den Blick nach oben,
Dass
du mit deinem letzten Liede ganz
Zur ewigen Vestale seist
erhoben!
Karl Ernst Knodt
(1856 – 1917), aus: Neue Gedichte, 1. Auflage 1902
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