Schlaflied für ein Ungeborenes
»Halt
die Ehe hoch in Ehren,
Wenn's nicht anders geht, im Prater!
Denn
mein Volk soll sich vermehren
Wie der Weizen in den
Meeren!«
Sprach der Staat zu deinem Vater.
Schlaf, Kindlein,
schlaf.
Dich schützt der Paragraph.
Dich treibt die Mutter
schon nicht ab,
Dich braucht der Staat fürs Massengrab
Im
Wasgenwald, am Piave.
Schlaf, Kindlein, schlafe.
»Die
Maschine, die Kanone
Brauchen Futter, brauchen Futter.
Bei dem
Menschen geht's auch ohne,
Denn er ist der Schöpfung
Krone.«
Sprach der Staat zu deiner Mutter.
Schlaf, Kindlein,
schlaf.
Dich schützt der Paragraph.
Einst bringt der Staat
viel Disziplin
Dir bei. Und wenig Vitamin,
Damit du still und
brav ...
Schlaf, Kindlein, schlaf.
»Ist
kein Platz für dich im Leben,
So doch im Geburtsmatrikel.
Paßt's
dir nicht, trag doch ergeben
Dieses Leben. Es ist eben
Nur ein
Konfektionsartikel!«
Singt der Paragraph.
Schlaf, Kindlein,
schlaf.
Jura Soyfer wurde am 8. Dezember 1912 in Charkow, Ukraine geboren und starb am 16. Februar 1939 im KZ Buchenwald an Typhus. Er ist einer der bedeutendsten politischen Schriftstellern Österreichs in den 1930er Jahren.
„Es holt der Franz das Fräuln MarieZu einer Überlandpartie.
Doch sie steht verweint in der Küchel.
»Herr Franz, ham's schon ghört?
's is aus mit der Erd!«
So schluchzt sie ins patschnasse Tüchel.
Der Franz aber lacht:
»Was mir das schon macht?
Ich weiß mir dazu ein Sprüchel!
Ob ich auch das kleine Cafe
In Hernais nimmer seh –
Sag ich trotzdem ganz lustig ade!«
Gehn ma halt ein bisserl unter,
Mit Tsching-tsching in Viererreihn
Immer lustig, fesch und munter,
Gar so arg kann's ja net sein.
Erstens kann uns eh nix gschehen,
Zweitens ist das Untergehen
's einzige, was der kleine Mann
Heutzutag sich leisten kann.“
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