Klage
Vater, höre, dein Fürstenkind
Ist Aschenputtel geworden!
Und die vom Orden der Freien sind,
Irren durch die Welt und bangen
Wie Märchenkinder im Wald,
Weil Ungeheuer nach ihnen langen.
Vater, wozu sind wir königlich,
Wozu lehrtest du Königswort,
Wenn doch der Mord
Allein regiert?
Was sag ich mir?
Was sag ich ihnen allen?
Ich klopfe an deines Grabes Wand
Um Trost. - Sag ich:
Blickt in die Sonne,
So werden die Schatten hinter euch fallen?
Mein Wort ist Bildertand -
1941
Lotte Brunner (1883-1943), Lehrerin und Schriftstellerin, aus: Gedichte 1903 - 1942, handschriftliches Manuskript, Leo Baeck Institute, New York
Der Stiefvater von Lotte Brunner war Constantin Brunner (geboren am 27. August 1862 in Altona; gestorben am 27. August 1937 in Den Haag), eigentlich Arieh Yehuda Wertheimer (Rufname Leo), Philosoph, Schriftsteller, Literaturkritiker.
1895 heiratete er Rosalie, geb. Auerbach, die sich künftig Leonie nannte, in Anlehnung an Brunners Rufnamen Leo. Mit ihrer Tochter Elise Charlotte, geb. Auerbach, die fortan den Namen Lotte Brunne trug, verband Brunner später ein intensiver Austausch über Literatur und Philosophie. Lotte Brunner veröffentlichte unter dem Pseudonym E. C. Werthenau und führte von 1903 bis 1932 ein Tagebuch über Bemerkungen Brunners zu seiner Philosophie und über Besuche und Gespräche im Hause Brunners. Leonie und Lotte Brunner wurden im Februar 1943 im Lager Westerbork inhaftiert und im März 1943 im Vernichtungslager Sobibor ermordet.
Das Bild ist von Odilon Redon (1840 - 1916)
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