Samstag, 18. Februar 2023

Lilli Recht: Allein

 


Allein

Draußen riecht es schon nach Sommer,
Kleine Kinder schrei’n,
Liebespaare geh’n vorüber
- Nur du bist allein.

Später holt dich ein Bekannter,
Küßt dir leicht die Hand
Und führt dich in seinem Wagen
Sicher über Land.

Er erzählt dir von Geschäften,
Sagt, daß er dich liebt,
Insoweit es heutzutage
Eben Liebe gibt.

Und verführt vom Duft der Wiesen,
Wald und Feld im Abendschein,
Sprichst du ihm von Deiner Sehnsucht,
Deinem Einsamsein.

Doch er meint, auf Seelenleben
Läge er nicht viel Gewicht
Und er säh’ im allgemeinen
Mehr auf Beine und Gesicht.

Und er hätte Glück bei Frauen,
„Weil er es versteht“,
Und du könntest ihm vertrauen.
Denn er sei diskret.

Doch du siehst längst aus dem Fenster
Starr und unverwandt,
Vögel zieh’n und bunte Blumen
Steh’n am Wegesrand.

– Eine Hand faßt heiß nach deiner.
– Wird das immer sein? –
Neben uns sitzt irgendeiner –
Und man ist allein.

Lilli Recht aus: Ziellose Wege, Druck von Heinrich Mercy Sohn, Prag 1936

Lilli Recht wurde am 17. Februar 1900 in Hodolany / Hodolein bei Olomouc / Olmütz geboren.1938 emigrierte sie gemeinsam mit ihrer Schwester nach Italien 1926 zog sie nach Prag, wo sie ihre Gedichte und Texte im Prager Tagblatt veröffentlichte. 1936 erschien ihr einziger Gedichtband Ziellose Wege. Lilli floh gemeinsam mit ihrer Schwester vor der nationalsozialistischen Besetzung nach Italien, 1941 wurde sie interniert. Nach ihrer Freilassung 1944 lebte sie in Neapel und später in Potenza. Weitere Lebensdaten sind nicht bekannt.

„Ich meine nicht die Braungebrannten
Wegwärts im grünen Wagen.
Ich meine jene stets Verbannten,
Die ihre Sehnsucht durch die Länder tragen.

Die Liebe suchen und die vor ihr fliehen
Und immer irgendwo ihr Glück versäumen.
Ich meine die, – die alle Welt durchziehen
Und in der Ferne von der Heimat träumen."

Das Bild ist von Arthur Segal (1875  -  1944)


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